american pie: Der Film „Frequency“ lebt von den 69er Mets
Zeitreise mit den Amazins
Eight miles high and fallin fast
Es gibt nicht viele Sportteams, die so geliebt und verehrt wurden wie die New York Mets von 1969. Damals wurde keineswegs bloß das Märchen vom Aschenputtel in einer Baseball-Version noch einmal neu geschrieben. Nicht nur das, auch eine ganze, eigentlich von den Mechanismen des Profisports angewiderte Millionenstadt fand zu einer ihrer liebsten Leidenschaften zurück.
In „Frequency“, dem letzte Woche in deutschen Kinos angelaufenen neuesten Dennis-Quaid-Vehikel, ist die Geschichte dieser 69er Mets, die den Spitznamen „The Amazins“ bekamen, Hintergrund des Plots: Im Jahre 1999 nimmt ein Kriminalkommissar über ein altes Funkgerät Kontakt auf mit seinem vor 30 Jahren verstorbenen Vater im Jahre 1969. Um ihm zu beweisen, dass er wirklich sein Sohn ist, sagt er den Ausgang der kommenden Finalspiele und en Detail die inzwischen legendär gewordenen Spielzüge voraus. Immer wieder kreuzen die Ereignisse der damaligen World Series zwischen den Mets und den hoch favorisierten Baltimore Orioles das Zeitreise-Spektakel.
In den 60er-Jahren waren die Mets die Lachnummer der Nation gewesen. 1962 gegründet, gewannen sie in ihrer ersten Saison nur 40 Spiele, verloren aber 120 und stellten damit einen neuen Negativrekord auf. In den ersten sieben Jahren ihres Bestehens wurden sie fünf Mal Letzte und zwei Mal Vorletzte in ihrer Liga – bis 1969: Völlig überraschend gewann eine Mannschaft aus Namenlosen, Abgeschobenen und als Versager Abgestempelten die National League und qualifizierte sich für die World Series gegen die Orioles, den Sieger der American League. Die 69er Saison der Amazing Mets ist immer noch eine der größten Sensationen in der Geschichte des US-Sports, auf einer Stufe mit dem völlig unerwarteten Sieg der New York Jets in Super Bowl III, kurioserweise ebenfalls im Jahre 1969 und ebenfalls gegen ein Team aus Baltimore, die Colts.
Weil Außenseiter Millionäre vom Platz fegten, wurden vor allem Arbeiter und kleine Angestellte Fans der Amazin Mets. Genau die Klientel also, die sich enttäuscht vom Baseball abgewandt hatte, als die New York Giants und vor allem die geliebten Brooklyn Dodgers Ende der 50er-Jahre nach Kalifornien umgezogen waren, um dort als San Francisco Giants und Los Angeles Dodgers höhere Profite einzufahren. Dabei war Baseball dereinst, als der Sport in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, auch als „The New York Game“ bekannt. Doch in den 60ern gab es in der Stadt dann nur noch die penetrant erfolgreichen Yankees, die man wie die Münchner Bayern entweder liebt oder hasst, und eben die unsäglich schlechten Mets.
So fieberte ganz New York schließlich mit den Amazins, selbst eingefleischte Yankees-Fans. Als sie im Halbfinale die Atlanta Braves mit 3:0 Siegen und einer Menge Glück abgefertigt hatten, meinte deren General Manager Paul Richards: „Die Mets würden überall gewinnen, sogar in Vietnam.“ Und als sie schließlich diesen unglaublichen Sommer erfolgreich zu Ende brachten und mit einem Sieg im fünften Spiel den World-Series-Erfolg gegen Baltimore klar gemacht hatten, stürmten die Fans das Spielfeld und trugen den kompletten Rasen in handlichen Stücken aus dem Shea Stadium. Nur einmal, 1986, konnte das Team den World-Series-Gewinn seither wiederholen, 1999 reichte es für die „Little Amazins“ immerhin zum Finale der National League, wo man gegen Atlanta verlor.
Parallel zum 69er Showdown in Shea kommt natürlich auch „Frequency“ zu seinem nicht unspannenden Ende. Oft allerdings, das zeigt auch dieser durchaus souverän inszenierte Thriller, kann die Leinwand nicht mit der Spannung und dem Drama mithalten, die der Sport zu bieten hat.
THOMAS WINKLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen