american pie: Nicht nur Tiger Woods locht bei den US Open vorbei
Putt, Putt, Putt
The day the music died
Retief Goosen aus Südafrika, der Unglücksputter vom Sonntag, konnte sich einen Tag später im Stechen gegen den US-Amerikaner Mark Brooks doch noch den Titel bei den US Open der Profigolfer in Tulsa sichern. Im Mittelpunkt der Debatten stand aber der Absturz des großen Favoriten Tiger Woods. Selten hatte man den Seriensieger der letzten Monate so quengelig und deprimiert erlebt wie am Ende der Veranstaltung auf dem tückischen Kurs des Southern Hills Country Club in Oklahoma. Verflogen die notorisch gute Laune des 25-Jährigen, nur flüchtig huschte hin und wieder das berühmte breite Strahlen über sein Gesicht.
„Ich bin erleichtert, dass diese Woche vorbei ist“, sagte Woods, nachdem auch sein letzter Ansturm in der vierten Runde gescheitert war und er mit einem majestätsbeleidigenden zwölften Platz vorlieb nehmen musste. Dann erzählte das Golfgenie, bei dem sonst immer alles so einfach aussieht, wie anstrengend es doch sei, nach verpatztem Beginn immer wieder rauszugehen und doch nicht näher an die Spitze zu kommen. „Das macht dich fertig.“
Zu gern hätte es Woods allen Nörglern gezeigt, die seine vier Siege in Folge bei den so genannten Majors nicht als Grand Slam anerkennen wollten, weil sie nicht in einem Kalenderjahr lagen. Die Chance, diese winzige Scharte schon 2001 auszuwetzen, hat er in Tulsa gründlich verpasst. Die Enttäuschung des Tiger Woods teilten auch viele Golf-Fans. Als klar war, dass der Kalifornier nicht um den Sieg mitspielen würde, sackten die Ratings bei NBC um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Da hatte Woods die Konkurrenz in Pebble Beach mit 15 Schlägen Vorsprung deklassiert.
Es ist kaum ein Zufall, dass die Siegesserie von Tiger Woods, der fünf seiner letzten sechs Turniere gewonnen hatte, ausgerechnet bei den US Open endete. Jedes Jahr wird auf einem anderen Kurs gespielt und die Plätze haben es meist gewaltig in sich. „Nicht du gewinnst die Open“, sagte einmal Bobby Jones, der viermal siegte, „die Open gewinnen dich.“ In Tulsa waren es die Putts, welche die Teilnehmer schier zur Verzweiflung trieben. „Höllisch schwierig“ seien die Greens, meinte Bernhard Langer, Sieger Retief Goosen wurde nach eigenen Angaben bei manchen Putts „angst und bange“. Als der Südafrikaner am Ende der vierten Runde die Riesenchance zum Sieg hatte, wirkte er laut New York Times plötzlich wie jemand, „der vorher noch nicht einmal Minigolf gespielt hat“. Zwei Versuche hatte er, den Ball aus drei Metern ins 18. Loch zu versenken, scheiterte aber jämmerlich und musste ins Stechen.
Tiger Woods, der mit einer 1:1-Wettquote als wohl größter Favorit aller Zeiten in diese US Open ging, brachte sich frühzeitig in Zugzwang, obwohl er auch auf den fast spiegelglatten Greens keineswegs schlecht spielte. „Ich hatte viele wunderschöne Putts“, sagte er, „aber sie gingen einfach nicht rein, sondern kratzten am Loch entlang.“ Wegen der Beschaffenheit der Anlage, die viele Kuhlen und große Bäume, aber nur zwei Par-5-Löcher aufweist, konnte er zudem seine große Stärke, die langen Drives, nicht wie gewohnt ausspielen. „Der Kurs hat ihn gleich gemacht“, meinte Konkurrent Matt Gogel.
„Das war frustrierend“, zog Tiger Woods ein persönliches Resümee, blickte dann aber lieber in die Zukunft, die für ihn morgen in Harrison, New York beginnt: „Das Gute an unserem Sport ist, dass man wieder von vorn anfangen kann.“ Ob es denn die größte Enttäuschung bei einem Major-Turnier seit langem gewesen sei, wurde er vor seinem Abgang noch gefragt und fand für einen Moment sogar sein Lächeln wieder. „Wenn man bedenkt, dass ich die letzten vier gewonnen habe – ja!“ MATTI LIESKE
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