american pie: Baseballspieler Ichiro Suzuki erobert die USA
Schnäppchen für Seattle
And they were singing: Bye-bye, Miss American Pie
Zuerst waren es nur Transistorradios. Dann kamen die Autos. Schließlich Gameboys und Tamagotchis. Nun droht eine weitere japanische Exportwelle die USA zu überschwemmen: Baseballspieler. Schuld daran ist vor allem: Ichiro Suzuki, der in nur einer halben Saison bei den Seattle Mariners erfolgreich alle in Amerika über japanische Baseball-Profis herrschenden Vorurteile widerlegt hat.
Zuvor wagten nur Pitcher den Weg über den Pazifischen Ozean ins Heimatland des Baseballs. Die Härte ihrer Würfe kann man mit Radar messen, den Spin ihrer Pitches auf Video studieren. Aber Suzuki wurde zum ersten Feldspieler, der von einer der beiden amerikanischen Major Leagues verpflichtet wurde. Bislang waren die US-Clubs eher vorsichtig, die vorherrschende Meinung war, in den japanischen Ligen werde schwächer gepitcht als in den USA, also sähen die japanischen Schlagmänner auch besser aus.
Suzuki, der in den sieben Jahren, die er in seiner Heimat spielte, sieben Mal der beste Batter war, hat all das auf den Kopf gestellt. Momentan führt er die American League im Schlagdurchschnitt an, hat die meisten Bases gestohlen, die zweitmeisten Runs erzielt und ist auf dem besten Wege, den 81 Jahre alten Rekord der meisten Hits in einer Saison zu brechen. Zudem ist er unglaublich schnell und ein hervorragender Verteidiger, der mit ungewöhnlich akkuraten Würfen aus dem Outfield glänzt, und hat die Mariners zum momentan besten Team dieser Saison gemacht. So brillant spielt der 27-Jährige, der darauf besteht, nur bei seinem Vornamen Ichiro gerufen zu werden, dass er momentan sogar die Wahl zum All-Star-Spiel anführt.
Im Mutterland des Baseballs zu beweisen, dass er mit den Allerbesten mithalten kann, war Ichiro angetreten: „Ich brauchte eine neue Herausforderung.“ Das Geld hatte ihn nicht gelockt: 14 Millionen zahlen ihm die Mariners für drei Jahre – wesentlich weniger, als er in Japan hätte verdienen können, und so, wie er momentan spielt, ein Schnäppchen für Seattle. In Japan wird der Erfolg von Ichiro wohlwollend, aber wenig überrascht aufgenommen. Schließlich war Ichiro zu Hause ein Superstar. Die Mariners mussten an seinen alten Club, die Orix Blue Wave, allein schon 13 Millionen Dollar zahlen, nur um mit ihm verhandeln zu dürfen. Seine Heirat mit dem TV-Sternchen Yumiko Fukushima beschäftigte die japanischen Medien wie bei uns Boris und Babs.
Ichiro mag nicht mehr zu Hause spielen, ist aber nichtsdestotrotz allgegenwärtig: Drei Viertel aller Spiele der Mariners werden live im Fernsehen übertragen, 23 japanische Journalisten, elf japanische Fotografen und ein japanisches Fernsehteam haben Saison-Akkreditierungen erhalten. Die in den USA üblichen Interviews in der Umkleidekabine gibt Ichiro allerdings nur mit dem Rücken zu den Reportern: Angeblich soll eine japanische Zeitung zwei Millionen Dollar für Nacktfotos geboten haben.
Dieser Medienauftrieb in Seattle ist für Ichiro allerdings Erholung. Der japanischen Öffentlichkeit zu entfliehen, war einer seiner Hauptgründe, in die USA zu gehen. „Hier kann ich wenigstens allein auf den Golfplatz“, lässt er via Übersetzer mitteilen. Das wird wohl nicht so bleiben. Längst haben ihn Seattle und seine asiatische Minderheit, die 13 Prozent der Bevölkerung ausmacht, liebevoll aufgenommen, immer öfter wird er von japanischen Touristen belästigt.
In Japan fast noch interessierter wird allerdings der Werdegang von Tsuyoshi Shinjo bei den New York Mets verfolgt. Der war im Gegensatz zu Ichiro kein Superstar, sondern eher ein Mitläufer. Der 28-Jährige begann die Saison spektakulär und wurde schnell zum Publikumsliebling, fügte sich dann aber ein in ein enttäuschendes Mets-Team und ist momentan sogar verletzt. Sollte sich Shinjo trotzdem noch durchsetzen, dürften auch andere japanische Profis davon überzeugt sein, in den USA mitspielen zu können und den Sprung in die so genannten Big Leagues wagen. Schon jetzt ist die japanische Weekly Post besorgt: „Japanische Baseballfans fragen sich, was mit den Spielern passiert, die sie lieben.“ Um ihre Autos haben sie sich nicht solche Sorgen gemacht. THOMAS WINKLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen