american pie: Michael Jordan will wieder spielen
Die Skalpjäger warten schon
Die Wasserstandsmeldungen werden konkreter: Michael Jordan wird nach dreijähriger Pause mit ziemlicher Sicherheit wohl wieder in der NBA auflaufen. Das zweite Comeback des besten Basketballers aller Zeiten scheint so gut wie sicher. „Ich will noch ein paar Jahre spielen“, teilte Seine Lufthoheit ungewohnt entspannt am Montag Nachmittag einer kleinen Gruppe von Journalisten vor der Sporthalle in Chicago mit, in der er sich zusammen mit anderen NBA-Spielern seit Wochen in Form bringt. Gesundheitlich wäre er in Ordnung, so der mittlerweile 38-Jährige, und sollte die Sehnenentzündung im linken Knie, mit der er unlängst zu kämpfen hatte, endgültig auskuriert sein, würde er wieder spielen.
Dass Jordan über die Washington Post noch am gleichen Abend ein halbherziges Dementi verbreitete, scheint eher Teil des Versteckspiels, das sich nun schon seit fünf Monaten hinzieht. Er brauche noch eine weitere Woche Testspiele, so Jordan, um entscheiden zu können, ob er fit genug sei. Er werde seine endgültige Entscheidung kommende Woche verkünden. Eine Pressekonferenz ist bereits in Planung in Washington, wo Jordan bei den Wizards als Sportdirektor arbeitet.
Sollte er zurückkommen, wird er nicht nur seinen Job bei den Wizards aufgeben müssen und seinen kleinen Besitzanteil am Hauptstadtklub, sondern auch seinen übersteigerten Ehrgeiz. In der letzten Saison waren die Wizards das drittschlechteste Team der NBA; in den letzten 13 Spielzeiten haben sie sich nur ein einziges Mal für die Play-offs qualifiziert. Und auch mit Jordan werden sie nicht zum Meisterschaftsfavoriten. Vorsorglich verkündete der alte Mann denn auch, dass er gereift sei: „Manchmal ist das Erreichen der Playoffs genauso gut wie einen Titel zu gewinnen.“
„Die Liebe zum Spiel, nichts sonst, nur die Liebe zum Spiel“, sei der Grund für seine Rückkehr, so Jordan. Man kann ihm das glauben, denn das Gehalt, das ihm die Wizards zahlen können, wird weit entfernt sein von den 33 Millionen Dollar, die er 1998/99, in seiner letzten Saison bei den Chicago Bulls, bekam. Aufgrund von Ligabestimmungen wird Jordan, dessen Vermögen auf knapp 400 Millionen geschätzt wird, höchstens 1,3 Millionen verdienen können. Aber ums Geld gehe es ja nicht, sagt Jordan, sondern darum, seine Wizards auf Vordermann zu bringen: „Was ist falsch daran, den Kids dabei zu helfen, ihren Weg zu finden, ihnen beizubringen, wie man spielt?“ Im Gegensatz zu seinem ersten Comeback habe er diesmal aber nicht vor, den neuen, jungen Stars der NBA zu zeigen, wer der Chef im Ring ist. Sagt Jordan.
Tatsächlich wird er wohl nicht mehr als Shooting Guard auflaufen. Stattdessen will Jordan von nun an Small Forward spielen und so direkten Duellen gegen Kobe Bryant, Allen Iverson, Tracy McCrady oder Vince Carter aus dem Weg gehen. Die Fernsehsender, die die NBA im Programm haben, kündigten bereits an, dass im Falle eines Comebacks nicht nur ein Spiel der Wizards, wie bislang geplant, überregional übertragen wird, sondern so viele Auftritte von Jordan, wie der TV-Vertrag der NBA hergibt. Kolumnisten befürchten jetzt schon, dass die Öffentlichkeit vor allem das Scheitern des Übermenschen beobachten möchte: „Die Generation X wartet nur darauf, sich seinen Skalp an die Elefantenhosen hängen zu können.“ Noch vor ein paar Tagen ließen Spieler, die an Jordans Trainingsspielchen beteiligt waren, anonym verlauten, der Rückkehrer sei zwar nicht schlecht, hätte aber gegen vergleichsweise junge Kollegen wie Penny Hardaway oder Michael Finley bisweilen alt ausgesehen.
Bedenken aber gab es auch beim ersten Comeback vor sechs Jahren. Jordan widerlegte sie eindrucksvoll und gewann drei weitere NBA-Titel mit den Chicago Bulls. „Ich weiß“, so Jordan unlängst, „da draußen gibt es viele Skeptiker.“ Das sollte als Motivation reichen. Und die Tatsache, dass die Wizards die NBA-Saison am 30. Oktober bei den New York Knicks eröffnen. Der Madison Square Garden ist für Jordan immer das Mekka des Basketballs gewesen. Dort hat er einige seiner besten Spiele abgeliefert in einer an guten Spielen wahrlich nicht armen Karriere. Aber wird der neue, alte Jordan gut genug sein, die Erinnerungen an seine beiden ersten Inkarnationen nicht zu zerstören? THOMAS WINKLER
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