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Archiv-Artikel

al forno Harald muss draußen bleiben

FRANK KETTERER über die Wintersportnation Norwegen, die in Turin mit viel Pech und Infektionen zu kämpfen hat

Nur noch fünf Tage, dann ist alles zu Ende, und ohne gleich als einer der üblichen Erbsenzähler hingestellt werden zu wollen, hat man dann doch mal einen schmalen Blick auf den Medaillenspiegel riskiert – und zwar gestern genau um Highnoon. Das Resultat: Die Unsrigen haben schon siebenmal Gold, siebenmal Silber sowie viermal Bronze gewonnen und liegen damit voll im Plan, der da von Anbeginn an lautete: Irgendwas um die 25 Medaillen gewinnen – und Zweiter werden hinter den ohnehin als unschlagbar geltenden Norwegern. Aber nun ist Deutschland sogar ERSTER in der Erbsenzählerwertung und ganz schlecht ist das vor allem für: Norwegen.

Dazu muss man wissen, dass Norwegen so etwas wie der Erfinder des Wintersports ist. Die Kinder oben am Nordkap kommen schließlich mit Langlaufbrettern an den Füßen zur Welt, und wenn sie mit der Schule fertig sind und mit der Ausbildung obendrein, dann bauen sie erst mal eine kleine Skisprungschanze. Mit dem Gewehr umgehen können die Norweger selbstredend auch. Bei sich zu Hause üben sie das nicht nur auf schwarze, feststehende Scheiben, sondern vor allem auf bewegliche Ziele wie zum Beispiel Auerhähne, Schneehühner – und natürlich Elche. Norweger sind also qua Natur Skilangläufer, Biathleten und Skispringer – und somit wird es zwischen den tiefen Fjorden doch als noch tiefere Blamage empfunden, dass man, was die Medaillen angeht, nach elf Ta- gen Olympia immer noch hinter den Deutschen liegt. Es sind schließlich Winter-, also ihre Spiele. Und da kann der Norweger nun mal nicht ab, dass er nicht Erster ist, sondern: Neunter. Zwar, das muss zu ihrer Ehrenrettung schon erwähnt werden, haben auch die Norweger schon siebenmal Silber sowie siebenmal Bronze gesammelt und damit so viel Edelmetall wie keine andere Nation, aber bislang eben nur zwei Olympiasieger hervorgebracht, den Skispringer Lars Bystöl nämlich und Kjetil Andre Aamodt, den alten Norweger.

Verantwortlich dafür ist eine Pechsträhne, die nun wirklich den stärksten Wikinger aus der Bahn werfen kann. Ganz am Anfang der Spiele zielte zum Beispiel die durchaus aussichtsreich im Rennen liegende Biathletin Gunn Margit Andreassen versehentlich auf die Scheiben der Konkurrentin in der Schussbahn nebenan, was sich lustig erzählt, für eine Biathletin aber der blanke Horror sein muss. Kurz darauf brach dem Skilangläufer Frode Estil im 30-km-Rennen beim Start der Ski. Estil wurde Zweiter, von Gold nicht mehr getrennt als die Länge eines Skibruchs, nämlich ganze sechs Zehntel. Der Skispringer Sigurd Pettersen wurde disqualifiziert, weil sein Anzug zu weit geschneidert war.

Hinzu kommt, dass das Team eine Krankheitswelle erfasst hat, die bereits am vorigen Mittwoch ihren äußerst traurigen Höhepunkt erreicht hatte: Den Teamsprint in der Nordischen Kombination mussten die Norweger absagen, da vier ihrer fünf Kombinierer flach lagen. Auch Marit Björgen hat es erwischt, und zwar am Magen. Dort, so ließ die Königin des Skilanglaufs wissen, drehe es sich wie in der Waschmaschine. Prompt steht sie nach ihren bislang fünf Rennen mit lediglich einer silbernen Plakette da. Nicht nur Björgen, immerhin dreifache Weltmeisterin, hat sich das anders vorgestellt, sondern auch ganz Norwegen.

14 der 74 norwegischen Olympiateilnehmer, so hat es die Deutsche Presseagentur dankenswerterweise nachgerechnet, waren oder sind im Krankenstand. Damit die Epidemie sich nicht noch weiter ausbreitet, hat die norwegische Mannschaftsleitung zumindest die Skilangläufer auf Einzelzimmer in ganz Pragelato verteilt. Außerdem hat Mannschaftsarzt Lars Engebretsen tapfer die Verantwortung für die norwegische Seuche übernommen („Ich fühle mich natürlich verantwortlich“) und seine Mannschaft vorsorglich unter Quarantäne gesetzt. Kontakte nach draußen sollten zwischenzeitlich jedenfalls auf ein Minimum reduziert werden, und zwar ungeachtet der Person. „Wenn unser König Harald sich jetzt mit unseren Sportlern treffen wollte, wir würden es ihm abschlagen“, ließ Doktor Engebretsen wissen. Es wäre auch viel zu gefährlich. Wie leicht könnte sich König Harald anstecken.