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aktivitäterä an grillfett von WIGLAF DROSTE

Aktivität ist das Erkennungszeichen zwangsrüstiger Senioren, die sich und der Restwelt beweisen wollen – und müssen –, dass sie noch nicht ganz zum Ausschuss gehören. Hektisch zeigen sie Vitalität vor: Seht her, wir sind noch keine Pflegefälle, unser Lebensberechtigungsschein ist noch nicht abgelaufen, an uns muss noch keine aktive Sterbehilfe geleistet werden! Blanke Panik ist es, die sie durch Stadt und Land rummeln lässt. Wer im allgemeinen Verwertungs- und Verwurstungsbetrieb keine Rolle mehr spielt, muss damit rechnen, kostendämpfend aussortiert zu werden, und warum dann eigentlich nicht gleich final?

Längst hat diese Panik die Kinder und die Enkel der angstgebeutelten Alten erfasst. Sie können die Füße noch viel weniger still- und die Klappe noch viel seltener geschlossen halten. Wie zuvor aus der Chimäre ihrer angeblichen „Identität“ machen sie aus ihrer dauernden Aktivität ein gewaltig dröhnendes Täterä. Mit allen bei allem mit dabei sein und mitmischen, so singt es der Idiotenwind. Wenn man schon eine arme oder blöde Sau ist, dann doch wenigstens die, die gerade durchs Dorf getrieben wird. Beinahe könnten sie einem Leid tun, aber dafür machen sie zuviel LERM.

An den Wochenenden heißt es: Parademarsch, Parademarsch. Für die Samstage, an denen ausnahms- und erfreulicherweise einmal kein Karneval der Kulturen, kein Christopher Street Day, keine Love Parade und auch sonst kein Grinsgesichterdefilee organisiert wurde, ist gründlich vorgesorgt. In diese raren Lücken drängt die Hölle des Nachbarschaftsfestes. Global das Hirn abschalten, lokal nerven, fertig ist das Straßenfest. Begründet wird der grillfettige Ringelkiez mit Anfassen seit Jahren damit, dass sich hier Fremde begegnen und einander kennen lernen können, weshalb man sich dann wechselseitig nichts tut, sondern lebenslänglich zusammen herumkumpelt. Das ist gemeingefährlicher Unsinn: Warum sollte man ausgerechnet Fremden etwas tun, also Leuten, die einem die uninteressante Tatsache ihrer Existenz nicht aufdrängen? Haarig wird es doch erst, wenn man laut und unhöflich zur Kenntnisnahme von Menschen gezwungen wird, die einen nichts angehen.

Man wird gezwungen. Als ob es Imbiss genannte Kadaverkrematorien nicht schon reichlich gäbe, stinken sie einem noch mobil erzeugtes Gebrutzel in die Nase. Und sie stinken einem ins Ohr: „Du darfst nie vergessen, du darfst nie vergessen“, stakkatiert ein Jungmänner-Rap-Depp fingerstochernd in die Welt hinaus, aber was so furchtbar wichtig war, dass ich es niemals vergessen durfte, blieb nicht an mir haften. Einen Lichtblick aber gibt es auf jedem Straßenfest. Er ist schwarz und trägt Rastalocken. Im Gehen eine Gitarre schrummend, wie man ungestimmter selten eine hörte, dazu adäquat singend, bewegt er sich vorwärts in einer Woge aus amusikalischem Matsch. Auch wenn er das weder ahnt noch sein möchte: Der Mann ist mein Verbündeter. Gemeinsam kämpfen wir gegen das multikulturell rassistische Vorurteil, alle Schwarzen seien musikalisch.

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