abgehakt: Freundschaft? Geschmackssache!
Es gibt Dinge, die sind zum Scheitern verurteilt. Einen Croque zu essen, ohne sich zu bekleckern, eine Siegwette auf den FC St. Pauli erfolgreich abschließen, spontan Leute zum Essen einladen. Das geflötete „Kommt doch heute Abend einfach vorbei, ich mach uns was Kleines“ ist gleichbedeutend mit dem Unterzeichnen der Kapitulationsurkunde anno Neunzehnachtzehn. Früher, ja früher, da war das kein Thema: Schnittchen auf den Tisch, eventuell kurz Angebratenes, Wurst, Käse. Das war die Zeit, als es noch keine Vegetarier gab, und wenn es sie gab, lud man sie nicht zum Abendessen.
Heute ist das natürlich anders. Meine gute Bekannte U. schaute schon damals etwas indigniert, als ich ihr aus Hamburg eine Dose Aalsuppe mitbrachte und sie die Ingredienzen genauer studierte. „Du weißt doch, dass ich kein Fleisch ...“ Fleisch kommt also nicht in Frage. „Du kannst mir alles anbieten, nur keinen Fisch“, werde ich schon seit Monaten in regelmäßigen Abständen von meinem Kollegen H. gebrieft, dem ich vor zwei Jahren in einem unbedachten Moment ein Abendessen versprochen hatte. Die Pfanne bleibt also besser ganz im Schrank.
Gegen Gemüse kann doch niemand etwas haben. „Mit Rosenkohl kannst du mich jagen“, wird mir gleich von zwei kollegialen Seiten beschieden, während meine Lieblingskollegin B. kurz vor der Mittagspause bittet: „Wenn du mir ein Brötchen mitbringst, kann das mit allem belegt sein, bitte nur nicht mit Mozzarella.“ An Mozzarella hatte ich gar nicht gedacht, obwohl das der Lieblingskäse meines Lieblingsschulfreundes ist, den ich demnach nicht gemeinsam mit meiner Lieblingskollegin zum Essen einladen dürfte. Man lernt, strategisch zu denken. Man bekommt Verständnis für die viktorianischen Sitzordnungen zu Tisch.
Crème Caramel zum Dessert: Ein Affront gegen meinen Freund U., der „gerade mal“ ausprobiert, komplett ohne Süßes über die Runden zu kommen. Und überhaupt: „Die Kinder sollen solche Sachen nicht“, höre ich schon die ersterbende Stimme meiner Bekannten W. Ich lasse verschämt die Riegel Schokolade, die ich extra für den Besuch von Kindern und Sternsingern im Hause gebunkert habe, in der Schublade verschwinden.
Aber so ein Abend mit FreundInnen bei einem klaren Glas Wasser und guten Gesprächen ist ja auch etwas ganz Besonderes. Und anschließend, wenn der Besuch weg ist, geht es noch an die Dönerbude. PETER AHRENS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen