a última verdade : Der Herr Kandidat
DAS WORT AUS DEUTSCHLAND: Warum der brave Theo Zwanziger doch nicht neuer DFB-Präsident wurde
Noch zwanzig Minuten, dann wird der schwarze Mercedes mit Theo Zwanziger, dem designierten DFB-Präsidenten, in die Otto-Fleck-Schneise einbiegen, zur wichtigsten Präsidiumssitzung aller Zeiten. Irgendwie ist Zwanziger unwohl. „Wenn mir der Gerhard in die Augen schaut, wird mir bestimmt ganz übel“, denkt er. Dann klingelt das Handy. „Zwanziger!“ „Diekmann hier“, tönt es am anderen Ende. „Oh Gott.“ „Nein, Diekmann von der Bild-Zeitung.“ „Ja, äh, was kann ich für Sie tun?“ „Ich wollte Ihnen nur sagen: Wenn Sie einen Holländer zum Trainer machen, sind Sie erledigt. Tschüss.“
Zwanziger schwitzt. Alle deutschen Trainer haben doch schon abgesagt, und Heynckes scheidet aus: Er spricht nicht fließend Deutsch. Verdammt, denkt 20er, als das Telefon erneut klingelt: „Ja, Hallo Theo, hier ist der Blatter-Sepp! Also, Theo, was ihr da mit dem lieben Gerhard vorhabt, find ich gar nicht gut. Der DFB war mir immer treu ergeben. Ich hoffe, da ändert sich nichts. Ich könnte die WM 2006 ja auch kurzerhand noch nach Neuseeland geben. Also, Theo, nichts für ungut.“ Zwanziger wirft das Handy weg und singt „Theo, wir fahrn nach Lodz“. Der Chauffeur, der aussieht wie Lothar Matthäus, ist überrascht: „Ich dachte nach Frankfurt.“ „Natürlich, du Depp“, schreit der erregte Zwanziger so laut, dass er fast das Handyklingeln überhört. „Frieder Merz von der CDU hier.“ Zwanziger spricht plötzlich mit fester Stimme: „Ja, Herr Finanzminister.“ Merz lacht finster: „Noch ist es nicht so weit. Aber wir wollen ja alle, dass es so weit kommt, nicht wahr?“ „Natürlich Herr Finanz…, äh, Merz.“ „Gut. Sie ziehen also ihre Kandidatur zurück?“ „Wie bitte?“ „Zwanziger, Mensch, was wäre das denn für ein Zeichen: Ausgerechnet der völlig bewegungsresistente DFB reformiert sich in Zeiten der Lethargie von innen und selbst. Das würde den Sozen doch in die Karten spielen. Wir wollen schließlich nicht eine WM gewinnen 2006, sondern eine Bundestagswahl! Wiedersehen!“ Theo Zwanziger weint.
Der Mercedes biegt in die Otto-Fleck-Schneise ein. Fotografen knipsen. „Schnell, Lothar!“, schreit Zwanziger verzweifelt. Matthäus bremst, reist die Tür auf und führt Zwanziger in den Sitzungssaal. Niemand da. Puh! Doch da: MV! „Oh, der Herr Kandidat“, gluckst MV jovial. Der Schatzmeister schüttelt den Kopf. „Mein lieber Theo, dass du mir so in den Rücken fällst …“ Zwanziger wird übel, er fällt auf die Knie. „Gerhard, bitte, lass uns reden, bevor die anderen kommen.“ Matthäus schließt die Tür – von innen. TOBIAS SCHÄCHTER