: Zynisch -betr.: Kurzmeldungen, taz-Hamburg vom 8.9.1998
Liebe tazlerInnen,
ich bin kurz vor der Abo-Kündigung – nicht in erster Linie aus Gründen der Inhalte, sondern weil ich mich durch das ständige Lesen von Tageszeitungs(kurz)meldungen regelrecht desinformiert fühle (dazu hat die taz mal ein sinngemäßes Zitat von Karl Kraus abgedruckt).
Als Hamburger hat frau kaum eine andere Wahl, als die taz zu halten, wenn frau nicht das Abendblatt lesen und nicht stundenlang am NDR-Dudelfunk hängen will, um sich wichtige Meldungen, Berichte, Veranstaltungshinweise usw. herauszupicken. Aber dafür reicht der HH-Teil denn doch nicht aus. Kultur, Unterhaltungsrubriken (z. B. Paula und ich, Lokalkoloratur...) nehmen viel Platz ein, Filmbesprechungen haben nur den Bezug zu Hamburg, daß sie in hiesigen Kinos anlaufen (und oft wird im überregionalen Teil der gleiche Film besprochen) – alles läßt wenig Platz für Hamburger Stadtpolitik, von oben und von unten. Vom „Service“ mal abgesehen: Von den Verkehrsbehinderungen (nicht die für das Auto sind gemeint) durch den Motorradgottesdienst oder durch die Cyclassics z.B. habe ich erst auf offener Straße erfahren (bei den Cyclassics auf dem Weg zur Aktion der Flüchtlingskarawane, die kaum Erwähnung fand).
Auf die Palme bringt mich ein unreifer, zynischer journalistischer Stil, der z. B. anhand von durchge-stylten Überschriften Meldungen diversester Art verhackstückt (nicht nur im HH-Teil). „Viel erschwindelt, Viel konsumiert, Wenig verdient, Viel abgelehnt, Viel verkohlt“. Daß Ihr selbst FreundIn, AngehörigeR, KollegIn usw. von jemandem sein könntet, der auf den Verkehrsstraßen verunglückt oder, wie in diesem Fall, vergewaltigt und verkohlt wird, könnt Ihr Euch anscheinend gar nicht vorstellen. Da habe ich doch den Eindruck, daß nicht nur das Lesen einer Tageszeitung, sondern auch das Machen einer Tageszeitung verdirbt.
Mit so-la-la Grüßen
Elke Albertsen
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