: Zwölf Jahre gegen Hornstein verlangt
Plädoyer der Bundesanwaltschaft (BAW) im Stammheimer Prozeß gegen Luitgard Hornstein BAW sieht Angeklagte der Beteiligung am Dornier-Anschlag als überführt ■ Von Edgar Neumann
Stuttgart (taz) — Am Ende seines Plädoyers verfällt der Vertreter der Bundesanwaltschaft (BAW) in ein ungewohntes Pathos: „Zusammen lebten sie, zusammen kämpften sie, zusammen verfolgten sie ihre terroristischen Ziele.“ Gemeint ist Luitgard Hornstein, die zusammen mit den Mitgliedern einer angeblichen „Kämpfenden Einheit“ der RAF, Erik Prauss, Andrea Sievering, Christian Kluth und möglicherweise weiteren Unbekannten den Bombenanschlag auf die Firma Dornier im Juli 1986 durchgeführt haben soll. Das Fazit der Bundesanwaltschaft nach zweieinhalb Stunden Plädoyer: Zwölf Jahre Freiheitsstrafe wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion soll der 4. Strafsenat des OLG Stuttgart gegen die 27jährige Studentin verhängen.
Direkt danach warten auch die Verteidiger mit einem Paukenschlag auf. Es lägen Informationen vor, wonach es ein weiteres Schriftgutachten gebe, das die Anklagebehörde bisher zurückgehalten habe. Der Schriftsachverständige des baden-württembergischen Landeskriminalamtes (LKA), Dr. Kai Nissen, habe darin die These widerlegt, Andrea Sievering habe die Briefumschläge der Bekennerschreiben zum Dornier-Anschlag beschriftet, begründen die Anwälte, warum sie umfassende Akteneinsicht und eine erneute Beweisaufnahme fordern.
Gerade die angebliche Schrifturheberschaft von Andrea Sievering war erwartungsgemäß ein Dreh- und Angelpunkt im Plädoyer der Anklagevertreter. Für sie war die handschriftliche Adressierung nun sogar ein zusätzlicher Beweis für die These von der legalen RAF. Denn: Nur wer in der Legalität lebt, kann es sich erlauben, seine Handschrift zu verwenden, weil er darauf setzen kann, daß die Behörden von ihm über kein Vergleichsmaterial verfügen. Im übrigen argumentierten die Bundesanwälte über weite Strecken, wie sie das schon im ersten Verfahren und in der Anklage getan hatten. Da diente das Sammeln von einschlägigem Schriftmaterial zu den Themen militärische Forschung, SDI, militärisch-industrieller Komplex durch die Angeklagte der logistischen Vorbereitung von Anschlägen der RAF. Wenn auch kein materieller Beweis für die Tatbeteiligung in Sachen Dornier vorgelegt werden konnte, so bietet die Tatsache, daß Luitgard Hornstein an der Diskussion zwischen revolutionärem Widerstand und RAF über die „Offensive 86“ teilgenommen hat, für die BAW genügend Hinweise auf ihre „vollwertige RAF- Mitgliedschaft“.
Mit dem neuerlichen Verteidigerantrag hat der 4. Strafsenat des Stuttgarter OLG nun noch eine harte Nuß zu knacken. Die Entscheidung vertagten die OLG-Richter auf den nächsten Prozeßtermin. Der Prozeß wird am Dienstag fortgesetzt.
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