Zwist in Mecklenburg-Vorpommern: Linke streitet über Stasivergangenheit
Die Linke in Schwerin ringt vor ihrem Landesparteitag mit der Stasivergangenheit. Dabei offenbart sich ein Generationenkonflikt in der SED-Nachfolgepartei.
BERLIN taz | Fast zehn Jahre war Renate Malchow Landesschatzmeisterin der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern. Vor Kurzem kam heraus, dass sie von 1976 bis 1989 als IM für die Stasi gearbeitet hat. Daraufhin trat sie zurück. Denn, so die parteiinterne Regel: Ex-IM dürfen bei der Partei arbeiten oder Mandate übernehmen, müssen ihre Vergangenheit aber offenlegen.
Malchow hatte einen Kreisparteitag über ihre Stasimitarbeit mal informiert, diese aber verschwiegen, als sie bei der Partei eingestellt wurde. Landeschef Steffen Bockhahn legte Malchow den Rücktritt nahe. Doch erledigt ist das Problem damit nicht.
Denn nicht allen Genossen gefällt, wie Bockhahn agiert. Bockhahn, der zehn Jahre alt war, als die Mauer fiel, hat in einer Vorstandssitzung indirekt mit seinem Rücktritt gedroht - für den Fall, dass noch mehr Genossen enttarnt werden, die ihre IM-Jobs verheimlicht haben. Und offenbar gibt es in der Linkspartei im Norden einige, die diesen Rücktritt gar nicht schlecht fänden.
Kerstin Kassner, Linkspartei-Landrätin auf Rügen, sagte dem NDR, dass es vor dem Parteitag am Samstag "an der Basis ganz mächtig grummelt". Offenbar gibt es beim Thema Stasi einen Generationskonflikt. Vor allem Älteren, die zu DDR-Zeiten Funktionäre waren, passt Bockhahns Linie nicht.
Ärger hat der Linksparteichef auch mit Medien. MVregio, ein allerdings windiges Internetportal, hat die Behauptung in die Welt gesetzt, Bockhahn hätte von Malchows IM-Tätigkeit längst gewusst. Denn MVregio habe dies 2004 publiziert. Bockhahn dementierte, es gab eine eidesstattliche Erklärung und Unterlassungsbegehren. Klar ist: Druck wird von mehreren Seiten auf die Parteispitze ausgeübt.
Malchow ist kein Einzelfall. Auch Wolfgang Leuchter, der lange in Rostock Kreisvorsitzender war und Jungpolitiker Bockhahn gefördert hat, war IM. Jetzt musste er sich deswegen aus dem Beirat der Landeszentrale für politische Bildung zurückziehen. Parteikreise behaupten zwar, dass Leuchters IM-Tätigkeit bekannt war - für die Landeszentrale war dies aber offenbar neu.
Dem Parteitag am heutigen Samstag in Linstow liegt ein Antrag vor, der bekräftigt, dass Linksparteipolitiker ihre Stasimitarbeit nicht verheimlichen dürfen.
Bockhahn gibt sich vor dem Parteitag gelassen. "Mit einem Putsch", so Bockhahn zur taz, "rechne ich nicht." Weitere IM-Enthüllungen mag bei der Linkspartei derzeit niemand ausschließen. Bockhahn fordert, dass "wer sich sich bekennen muss, das jetzt tun soll".
Bis zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2011 muss die Linkspartei für Klarheit sorgen. Nach dem Stasidesaster für Rot-Rot in Brandenburg dürfte die Lust der SPD gering sein, mit einer Linkspartei zu koalieren, die unentdeckte Stasifälle birgt.
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