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Archiv-Artikel

Zwischen den Rillen Nicht lustig: Die Verbohlung des Daniel Küblböck

In der Teenie-Melkmaschine

So schnell kann man zurzeit gar nicht wegschalten, wie das Stimmchen im atemlosen Ken-Tenor aus dem Radio göbelt: „Wir sind durch lustige Zeiten gegangen, durch harte Zeiten und jetzt kommt die Musik von Daniel Küblböck aus Eggenfelden! Oh be my little baby / I never give you up“.

Daniel Küblbock, fast 18, hat als „geheimes Talent“ auf dem Steckbrief seiner Homepage angegeben „Ich kann mich ziemlich gut verbiegen“ und meint das absolut ironiefrei; ist bei der „Deutschland sucht den Superstar“-Show (von Fans liebevoll „DSDS“ abgekürzt“) bei RTL auf Platz 3 gekommen; muss die durch zwei Chartshits („You drive me crazy“ und „Heartbeat“) eingenommenen Penunzen vermutlich größtenteils in Dieter Bohlens virtuellen Jogginghosen versickern lassen, denn das ist sein Produzent; wird von der Bravo „Kübi“ genannt; sein Album heißt „Positive Energie“.

Dieses Album, ein Ibiza-Schlager-Bums-Bomber, der nicht mal kosmetisch so tut, als habe er irgendwelche musikalischen Ideen in petto, sondern sich ohne Umschweife in die niedrigsten Deppenpop-Gefilde begibt, ist ein voller Erfolg. Oder, wie Kübi es auf die Frage nach den manchmal nötigen Rückzug ins Private formuliert: „Das gibt es zurzeit nicht, verkriechen, sogar die älteren Omis kennen mich.“

Ist Daniel ein Phänomen? Eigentlich kein echtes. Er ist weder der erste, der talentfreien Triumph verbuchen kann (remember Rob und Fab von Milli Vanilli!), noch ist er außergewöhnlich (Vadder Abraham ist skurriler). Oder? Jetzt muss man sich noch einmal Daniel Küblböcks Genese durch den Kopf gehen lassen: Ein tuntiger, quäkiger teenage Brillenträger, der bei jeder Gelegenheit heult, schnappt dem „echten“ Superstar-Gewinner Alexander nicht nur die bessere Charts-Position weg, sondern schafft es sogar in die Milchprodukt-Werbung und damit in die Hirne von noch mehr Fernsehglotzern.

Das ist so komisch, das ist schon tragikomisch. In seinen Videoclips spielt Küblböck mit seiner sexuellen Identität: Er zeigt seine Hühnerbrust, lässt sich von Mädchen jagen und benimmt sich dabei wie eine als Nana Mouskouri verkleidete Kinder-Drag-Queen. Küblböck versucht sich in einer Art Spaßiger-Freund-und-Kupferstecher-Identität, so richtig einer zum Zungenkuss-Üben. Das wäre sogar nicht ohne, wenn ausformulierter und eindeutiger vorgetragen – die schwierige Phase eines rampeninteressierten Menschenkinds, das noch fleißig in alle hormonellen Richtungen pubertiert. Aber er singt zwar Bohlens Teste mit viel „Baby Baby Baby“ und „you smiled, like I never saw a woman smile“ und „you’re a sexy sexy girl“. Aber weiß man, was davon wirklich Küblböck ist und was Bohlen und Konsortens teuflische Hintergrund-Strippenzieherei?

Nein, und eigentlich interessiert das auch nicht. Obwohl man einen kleinen Jungen wie Küblböck qua Gesetz vor solchen Geschichten (Star wird aufgebaut – schafft Kohle ran – wird fallen gelassen und endet im Zlatko-Schlamm) schützen müsste, fällt einem genau das ziemlich schwer: Gar zu dumm sind Mann, Musik und Masche.

Und gar zu dünn ist beim genaueren Hinsehen auch das Konzept von einem Nichtskönner, der auszog, ein Star zu werden. Denn ewig wird das nicht gehen: Fieberhaft feilen die ShowmacherInnen der Sender schon am nächsten Ding, und irgendwann müssen die Talkshows, Boulevardmagazine und Schundblätter doch auch genug haben von den selbst gekneteten Helden. Andererseits, wann immer sich zu viele Küblböcks auf dem Spielfeld drehen, produziert man einfach wieder ein paar hausgemachte Von-der-Pieke-auf-Musiker und hypet und pusht die tüchtig. Oder man lehnt sich genüsslich zurück und guckt zu, wie Herbert Grönemeyer sich mit irgendwas Menschelndem in den Charts nach oben nuschelt – was bei genauer Betrachtung auch nur um Nuancen besser klingt als „Heartbeat“, der Song, den Bohlen – genau wie alle anderen auf der Platte – quasi ausgefurzt haben muss, so schlimm klingt es. Textprobe: Yo, one time, two time, this is a Rap from Eggenfelden, mit ich mich jetzt bei euch melde.

Vielleicht, wenn Küblböck irgendwann einmal mit dem Stardom-Genießen aufhört und beginnt, sich daran zu erinnern, was auch die Grundschule in Eggenfelden, seine Stiefmutti oder sein Vater ihm bestimmt versucht haben beizubringen. Vielleicht gibt es dann auch Ärger im Karton: Ein sensibles Kicherhäschen wie Daniel wird sich nicht ewig vom Bohlenchef und den gierigen Pop-Medien in der Teenie-Melkmaschine hin und her kegeln lassen, da können seine Stimme noch so dünn und seine Komiker-Qualitäten noch so begrenzt sein. Es sei denn, er ist schlauer, als alle dachten und hat uns die ganze Zeit hinters Licht geführt. Was zu bezweifeln ist. JENNI ZYLKA

Daniel Küblböck: „Positive Energie“