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Zwischen den RillenWill Liebe, kriegt Sex

■ Ostalgische Zerknitterung mit André Herzberg

„Paule Panke“ ist älter geworden. Die Locken sind dünner, der Hundeblick fällt müder aus, und das Staunegesicht erschlafft allmählich. Es sind ja auch 13 Jahre her, seit André Herzberg den Lehrling in „Paule Panke“ spielte, dem Rocktheater made in GDR, zu dem sein Bruder Wolfgang die Idee hatte. Inzwischen sieht Herzberg, als Sänger der Gaukler Rock Band und von Pankow der Schwarm der DDR- Mädchen, ein bißchen aus wie Joschka Fischer. Aber nur ein bißchen. Von Joschka Fischer unterscheidet ihn vor allem sein einfaches Weltbild.

Das erste Mal hat er es 1991 im Studio von Peter Maffay auf CD gepreßt. Solo. Die Trennung von Pankow ließ einen offenbar unentschlossenen Songschreiber zurück. Nun also das zweite Mal.

Es ist ein schlimmes Werk geworden, leider. Vielleicht erinnert sich ja noch dieser oder jene an „Langeweile“ von der letzten gemeinsamen Pankow-LP „Aufruhr in den Augen“. „Ich bin rumgerannt / zuviel rumgerannt / ist doch nichts passiert“, hieß es da. Genauso klingt es noch immer. Im 94er „Tohuwabohu“ steckt nicht mal mehr richtige Neugier. Der Titel lügt, selbst als Metapher. Ledermantel und rissige Wände auf dem Cover sollen wohl immer noch, wie in der DDR der frühen Achtziger, für die coole Umtriebigkeit des Heiner Müller lesenden Großstädters herhalten.

Doch die Codices haben sich geändert, die Musik fängt albern an („dipdipdipdip... dada“), und auch Herzbergs Ruf wird weder durch souliges Sich-Winden, knittriges Blues-Gehabe noch eifrige Bläsersätze gerettet. Es ist keineswegs ehrenrührig, Schlager zu schreiben. Aber muß man sich diese Textwürfel von einem, der auszog, Rockmusiker zu sein, gefallen lassen? Schon „Mach das Licht aus“ bedient da jedes noch so abgehalfterte Klischee: „du willst liebe / ich will sex“. Oder: „feuer und wasser / hitze und eis“, schlägt es einem um Ohren, die nicht glauben wollen, was sie hören. Erbarmungslos geht es weiter – „liebe macht mich süchtig / nach deinem roten mund“. Hier ist jemand bereit, grimmig für eine Frau zu sterben, die das nur leider nicht bemerkt. Sie schläft „mit richard“. Beleidigt wird abgezogen.

Solange es Herzberg bei seinen Beziehungskisten beläßt, mag man ihm noch verzeihen. Aber wehe, wenn er politisch werden möchte. „Zufall zufall alles zufall yeahhh“ ist das Ding mit der Welt nämlich, „zufall der geschichte / zufall was draus wird“. Aber es kommt noch dicker: „steht es in der bibel / oder steht es noch im manifest / hat es freud geschrieben / oder ist es hitlers letzter rest / ist es eine masse / und gehör ich auch dazu / oder ist es gar am ende / tohuwabohu“? Beliebiges Namedropping anstelle von Gedanken. Man möchte eigentlich nicht aufhören zu zitieren.

Selbsthilfe-Philosoph Herzberg weiß wenig Rat: „du kannst doch nix dafür / für titten und bier / also heul jetzt nicht rum / und sing mit mir“ empfiehlt er. So wie die letzte Zeile war früher ein Pionierliederbuch betitelt. Und das gerät dann doch irgendwie zu seinem eigenen infantilen Omen und ist schwer zum Heulen. André Herzberg sucht „nicht nur das licht“ (sprichwörtlich), er hat ihn nicht nur tief empfunden, den Wechsel der Systeme – er hat ihn auch gleich ein bissel wie James Brown verpackt. Das macht die Texte leider nicht erträglicher. „Gestern war die welt noch so schön klar / lüge war lüge / wahrheit wahr“ – wohlfeile Larmoyanz, die man leider nur zu oft gehört hat. „Nichts bleibt wie es ist“, außer dem „bier in den kneipen“ (und nicht einmal das stimmt!), „jeder gegen jeden“ und „dreh dich mit'm wind“ lauten die neuen alten, auf jeden Fall furzbanalen Bewältigungsparolen aus der Liedermacherecke. Von ihnen bleibt nur vage zu hoffen, daß sie wenigstens ein bißchen ironisch gemeint sind.

Heraushören kann man das jedenfalls nicht. Große Worte von „Verrat“ und „Sieg“ zieren den in allen Medien verschlissenen Paradigmenwechsel von „Opfern“ und „Tätern“, „in der zeitung klebt das blut“, und am Ende wird gar im Rilkeschen Duktus gemahnt: „es wird hart hart hart“. Irrtum, es ist schon hart. Und wieder: Irgendwie symptomatisch, dieses Versagen der Stimme, vielleicht weil „Illusionen“ halt „nicht treu sind, babe“.

Dabei haben so viele Leute an der Platte mitgeholfen: Matthias Lauschner von den Zöllnern, Jens Jensen von Pankow und sogar einige von den Klezmatics. Es hat nichts genützt. Anke Westphal

André Herzberg: „Tohuwabohu“ (K & P Musik/BMG)

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