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Zwischen den RillenNichts dazugelernt

■ Forever Blues mit Big Eric Clapton und Little Jimmy King

Zumindest einige jener Stücke, die auf Eric Claptons neuer Studioproduktion „From The Cradle“ versammelt sind, hat jede Bluesband, die ländliche und städtische Kaschemmen von Memphis bis Herzogenaurach unsicher macht, in ihrem Repertoire. „It Hurts Me Too“ von Elmore James müßte inzwischen fast soviele Tantiemen eingespielt haben wie „Guantanamera“, Leroy Carrs „Blues Before Sunrise“ erscheint dem Ohr so vertraut wie Beethovens Neunte, und den „Hoochie Coochie Man“ von Willie Dixon noch einmal zu exhumieren, zeugt von einer beachtlichen Dreistigkeit.

Daß „Stormy Monday“ in der blaugetönten Kollektion des Meisters Clapton fehlt, kann nur purer Vergeßlichkeit eines zerstreuten Rockveteranen geschuldet sein. Es scheint beinahe, als habe sich Eric Clapton mächtig geärgert über die Schar minderbegabter Epigonen des grassierenden Blues-Revival und fühlte sich nach all der „Wonderful Tonight“ und „Tears Of Heaven“-Duseligkeit bemüßigt, endlich ein für allemal klarzustellen, was ein guter, alter, authentischer Blues ist.

„Lieder, mit denen ich aufgewachsen bin und die ich immer geliebt habe“, pflegt er das musikalische Urgestein bei seiner US-Tournee anzukündigen. Ansonsten läßt der 49jährige vor allem seine Gitarre sprechen, deren klinische Virtuosität all das demonstriert, was er in seinem langen Musikerleben dazugelernt hat – nichts.

Ob das elegische „Third Degree“, das schwungvolle „Reconsider Baby“ oder das akustisch-plätschernde „Driftin'“ – im Prinzip spielt er so inspiriert, so exakt und so glatt wie damals, als er mit den Yardbirds den großen Sonny Boy Williamson begleiten durfte, als er sich mit Duane Allman die Gitarrenläufe um die Ohren schlug und als er seine unglückliche Liebe zur Gattin George Harrisons in zagend jammernde Hochtonsequenzen verwob. Allerdings hat Claptons Saitenspiel inzwischen eine traumhafte Perfektion erlangt, die Stücken wie etwa Willie Dixons „Groaning The Blues“ oder Eddie Boyds „Five Long Years“ jene tiefen musikalischen Sorgenfalten verleiht, nach denen der Blues so gern trachtet.

Seinem Gesang läßt sich das nicht nachsagen. Clapton klingt zwar, als habe er sich sechs Wochen lang mit ein paar Gallonen „Jack Daniels“ im Keller eingeschlossen und dort nur Platten von Charlie Patton, Robert Johnson und Muddy Waters gehört, doch ein wenig hört er sich immer noch an wie Laurence Olivier, der sich am Tarzanschrei versucht. Den originären Blues Growl seiner Vorbilder kriegt er einfach nicht hin, auch wenn es Unsinn ist, daß dieser nur im Mississippi-Delta ausgesuchten Individuen in die Wiege gelegt wird.

Die Wiege des Eric Patrick Clapp vulgo Clapton stand im englischen Ripley, das reicht allemal zu einem exzellenten Bluesmusiker, zum Klassiker sogar, dessen Stücke inzwischen Eingang ins Repertoire jüngerer innovativer Adepten wie Little Jimmy King aus Memphis gefunden haben. Dieser heißt eigentlich Manuel Gales, wurde aber von Albert King zum Adoptivenkel ernannt und durfte seither den Namen seines Mentors tragen, einen der höchsten Adelstitel des Blues.

Albert war einer jener vielen Kings, die Eric Clapton bei jeder Gelegenheit, wenn er sie im Publikum erspähte, auf die Bühne zerrte, um ihnen eine Gitarre in die Hand zu drücken und breit grinsend draufloszujammen. Bis zu seinem Tod im Dezember 1992 saß Albert King meist mißmutig in den Bluesclubs und betrauerte den Niedergang des Genres. Little Jimmy King gab ihm Hoffnung, er machte das Jungtalent zu seinem zweiten Gitarristen und verschaffte ihm die Chance, ein hochgelobtes eigenes Album aufzunehmen. Sein zweites Werk spielte Little Jimmy mit der alten Rhythmusgruppe des von ihm bewunderten Stevie Ray Vaughan ein. „Something Inside Of Me“ enthält nicht nur Claptons „Strange Brew“ und die gebotene Hommage an Opa Albert, sondern auch eine hendrixartige Soloimprovisation und blitzende Funk-Blues- Stücke wie „Under Pressure“.

So etwas würde Eric Clapton in seiner aktuellen puristischen Phase niemals aus den Saiten rutschen. Dann lieber „The eagle flies on friday“ – in alle Ewigkeit. Matti Lieske

Eric Clapton: „From The Cradle“. WEA 9362-45735-2.

Little Jimmy King: „Something Inside Of Me“. Munich Records, NETCD 9537.

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