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Zwischen den RillenKiller, Engel, Hundeväter

■ Quo vadis, Gangsta Rap? Neues von Snoop Doggy Dogg und Dr. Dre

2Pac Shakur: der Märtyrer. Snoop Doggy Dogg: der Mann zwischen den (neuen) Fronten, gefallener Engel. Dr. Dre: der Renegat. Der Stoff, aus dem die Popgeschichten des Gangster- Funk in diesem Jahr gestrickt sind. Tragisch, der Lauf der Dinge, und selbstverständlich verkaufsfördernd. „Business Never Personal“ hieß vor Jahren mal ein Album der HipHop- Gruppe EPMD. Doch die neuen Alben des G-Funk-Dreigestirns von der Westcoast gehorchen zum Jahresende anderen Gesetzmäßigkeiten: Business funktioniert um so besser, je personenbezogener es ist, je mehr Trouble und Legenden sich um seine Protagonisten ranken. Kein Prophet braucht man zu sein, um 2Pacs „Makaveli“ (siehe taz vom 23./24.11.), Snoop betet für den toten 2Pac: Credit im Booklet zu „Tha Doggfather“Foto: MCA

Snoops „Tha Doggfather“ und Dr. Dres „The Aftermath“ unabhängig von Güte und Chartskompatibilität ein hektisches Leben als Megaseller vorauszusagen.

Gleich im Intro von Snoops „Tha Doggfather“ werden die essentiellen Themen angesprochen, die Gangster-Funk und Hardcore seit Jahren bestimmen und ihm vermeintlich Kraft (und Authentizität) geben: Money and Crime. Mit über vier Millionen verkauften Einheiten seines Erfolgsalbums „Doggy Style“ hätte Snoop der erfolgreichste Rap-Act aller Zeiten werden können, heißt es da – wenn nicht der vermaledeite, rufschädigende Prozeß um seine Beteiligung an einem Drive-By-Shooting gewesen wäre, der ihn zuletzt mehr in Gerichtssäle als ins Plattenstudio trieb.

Nach seinem Freispruch hat Snoop Doggy Dogg ein neues Problem bekommen: Er muß ohne seinen Mentor Dr. Dre auskommen. Dieser hatte im Frühjahr das Death-Row-Label, mitunter auch das „Motown der 90er“ genannt, das er mit seinem Kompagnon Suge Knight zusammen gegründet hatte, im Streit verlassen. Gangster-Rap sei tot, weissagte Dre der HipHop-Zeitung The Source, was Snoop wiederum nicht einsehen mochte: „This is dedicated for tha niggas who say Gangsta Rap was dead.“

Ohne Dres goldenes Produzentenhändchen scheint Snoop allerdings weniger als die Hälfte wert zu sein: Ein laues Album ist „Tha Doggfather“ geworden, auch nicht ein Track hat annähernd das Format, das „Doggy Style“ ausgezeichnet hatte. Snoops nasale Raps stehen einsam und verlassen in den Songs herum, um ihn herum plimmen, plummen und pluckern die Beats, ohne zu wissen, was sie mit sich und Snoops Raps anfangen sollen. Keine Stringenz, kein Smoothness, kein Pop, kein gar nichts. Dr. Dre ist weg, und Snoop Doggy Dogg ist wieder alleine. Freundschaft hin oder her, in solchen Fällen ist das Business unpersönlich: „Snoop is my boy and he's gonna my boy forever. But that has nothing to do with business“, hat Dre der Source dazu gesagt.

Von ganz anderem Kaliber hingegen ist sein langerwartetes Album, das er jetzt auf seinem neuen Label herausbringt. Ehedem selbst kein Kind von Traurigkeit – wegen diverser Vergehen wurde er zu mehreren Gefängisstrafen verurteilt, so daß er noch 1995 mehr in einer Zelle saß als in seinem Studio –, nahm Dre sich für die Zukunft vor, sein Leben nach Death Row sich nur um neue Sounds drehen zu lassen und „some bomb ass music“ zu machen. Dazu präsentierte sich der gewandelte Dre auch als Friedensstifter zwischen den verfeindeten Küsten, und das nicht erst seit 2Pacs Tod: Für den New Yorker Rapper Nas produzierte er den Song „Nas is coming“, und für den Song „Eastcoast/Westcoast Killas“, der Monate vor der Veröffentlichung von „The Aftermath“ erschien, rief er gleich eine ganze Gruppe von Rappern beider Küsten ins Studio. In dem zugehörigen Video wurden Nas und KRS One beim Reimen in Los Angeles gefilmt, während mit RBX und King Tee zwei Westcoast-Rapper an der Ostküste die Mikes ergriffen. War dieses Stück schon ein ziemlicher Hammer, finden sich auf „The Aftermath“ nun zuhauf die guten und bewährten Dre-Sounds: kräftige, fette, gut fließende Killertracks, Stücke, die von rollenden Bässen und der effektvollen Arbeit an den Synthesizern bestimmt werden. Gefeatured werden zumeist unbekannte, junge Rapper und Rapperinnen, wobei sich die Strahlkraft eines Snoop allerdings nicht recht auschecken läßt.

War mit seinem Bruder Warren G und dessen „Regulate“ schon fast ein Endstand in der Entwicklung von G-Funk in Richtung Supersoulfulness erreicht, hat Dre diese Spirale noch ein wenig weiter gedreht: So präsentiert er auf seinem Album mehrere Stücke, die man leicht in die Kategorie R&B einordnen kann. Doch in diesem Fall gelingt es ihm nicht, dem Genre, das zusammen mit New Soul und Swingbeat kein Bein in die europäische Tür bekommen will, einen neuen Kick ins schlaffe Gesäß zu geben. Zu sehr ordnet er sich der genrebestimmenden Seichtheit unter. Die Nase hat Dre trotzdem weit vorn, und mit „The Aftermath“ könnte er in der Tat dem Gangsta-Rap sein Grab geschaufelt haben. Gerrit Bartels

Snoop Doggy Dogg: „Tha Doggfather“ (Death Row/Interscope/MDC)

Dr. Dre: „The Aftermath“ (Aftermath Entertainment/Interscope/MCA)

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