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Zwischen den RillenSchönheit der Krise

■ Und ab und zu mit dem Kopf nicken: „Postrock“ mit Trans Am und Built to Spill

Auch wenn es oft heißt, Indierock befinde sich in einer tiefen ökonomischen und kreativen Krise – Anlaß zur Klage besteht eigentlich nicht, bedenkt man die vielen Hypes und Strömungen, die die Kleinhallen- und Clubrocker in den Neunzigern hervorgebracht haben: Grunge, Soft-Core, Neo-Folk, Lo-Fi-Recording oder Postrock. Allerdings wird man auch der schönsten Musik schnell überdrüssig, wenn sich die Meute – seien es nun Major- oder Indie- Labels, die Kritik oder auch die Fans – auf jeden Trend stürzt und ihn gnadenlos ausbeutet.

Seit gut einem Jahr nun ist Postrock das große Indie-Ding. Angeschoben von Bands wie Tortoise oder Gastr Del Dol, darf man sich mittlerweile alle naselang an Produktionen erfreuen, die sich vor allem der Zerstörung der Rockstrukturen widmen. Kein Sex, kein Schweiß, keine Gitarrensoli, kein Gesang. Die Songs setzen in ihrer Dramaturgie einerseits auf Wiederholung und Monotonie, andererseits gibt es genug Freiraum für Improvisationen.

Auch Trans Am aus Washington D.C. darf man als Postrock- Formation verstehen. Ihren Verzicht auf einen Sänger erklärt Bassist Nathan Means so: „Gesang ist die größte und unnötigste Ablenkung der Welt. Außerdem kann man mit einem Song viel mehr anstellen, wenn man nicht dauernd an Verse, Chorus, Verse gebunden ist.“ Zwar läßt das Cover ihres zweiten Albums „Surrender To The Night“ erst mal Böses ahnen: Rot und blutig dämmert dort eine Sonne ihrem Untergang (Aufgang?) entgegen, Ahnungen von Esoterik steigen auf, Assoziationen an eine Welt, die nur aus rauschenden Klängen besteht.

Doch was da zuerst aus den Boxen tönt, ist ein instrumenteller Rocksong, bei dem jeder Indierock-Freund Atemnot und Herzrhythmusstörungen bekommen müßte vor lauter Freude ob dieser feinen Melodie, die hier mit den Gitarren produziert wird. Danach aber kommen auch die elektronischen Klangerzeuger zu ihrem Recht, insbesondere die von Trans Am bevorzugten Günstig-Casios. Es pfeift und zwitschert, die Stücke sind enganliegend und sitzen gut.

Trans Am benutzen ihre elektronischen Gerätschaften nicht nur um ihrer selbst willen, sie verwenden sie gleichberechtigt zu dem typischen Rock-Line-Up aus Gitarre, Baß und Drums. So machen Xylophon-Einsprengsel ein Stück wie „Illegalize It“ erst richtig rund, so lassen Drum&Bass- Figuren ein Stück wie „Tough Love“ windschnittig kesseln; die Mähne schütteln und mit dem Kopf nicken kann man natürlich auch dann und wann. Wenn sie dann mal ein Stück in bester Tortoise-Manier richtig absaufen lassen, darf man das mehr als Gimmick denn als Ehrbeweis verstehen. Denn eigentlich sind Trans Am mehr Pop und Rock als Post – und der Verzicht auf einen Sänger ließe sich ja auch damit erklären, daß keiner der drei Muiker besonders gut singen kann.

Dough Martsch von Built To Spill hat damit keine Probleme, obwohl sein Gesang das ist, was man „umstritten“ nennt. Martsch singt mit einer Stimme, die hoch und fistelig und manchmal auch sehr nervig ist und wegen der man ihn zusammen mit einem Gitarrensound und einigen lyrischen Referenzen ganz gut in Glamrock- und frühe Bowie-Ecken stellen kann. Was aber beim Erscheinen von „There's Nothing Wrong With Love“ (das Album, mit dem Built To Spill vor zwei Jahren in Europa das erste Mal auf den Plan traten) am meisten funkelte, war das große Songwriting. Labyrinthisch wirkte das, immer wieder gab es eine Passage in den Songs, in der man als Hörer gern noch ein wenig länger verweilen wollte – wenn Martsch nicht schon wieder ein anderes Thema angeschlagen hätte oder der Song sich eben seinem Ende zuneigte. Natürlich durfte man sich zu Built To Spill auch die Beatles, die DB's oder XTC mit ihren ausgeklügelten Popsongs einfallen lassen.

Mit dem neuen Built-To-Spill- Album hat Martsch seine Vielheiten und Verschachteltheiten erst richtig ausgebaut. Auf „From Perfect Now On“ dominiert die lange Strecke, acht Songs werden in knapp 60 Minuten episch ausgebreitet. Manchmal ist das etwas theatralisch, doch zumeist rüttelt Martsch wach und läßt keine Verschnaufpausen zu mit seinen diversen Handlungssträngen. Er schreibe an vielen seiner Songs gleichzeitig über einen Zeitraum von mehreren Monaten, hat Martsch in einem Spex-Interview erklärt.

Ein Song wie „Stop The Show“ bestätigt das: Langsam und gemächlich fängt er an, dann begleitet ein Cello elegisch Gitarren und Schlagzeug. Später wird es hart, laut und zackig, Martsch beginnt zu singen und verschafft dem Song erst in einem vierten oder fünften Teil Melodien und Glückseligkeit. Das Outro ist dann eine Instrumentalpassage, die klingt, als wollten Built To Spill dem Song erst zum Schluß richtig Beine machen.

Da die Parts auch der anderen Songs oft ganz unhierarchisch ihr Eigenleben führen und zu immer neuen Entdeckungen einladen, kann man sicher sein, daß das Haltbarkeitsdatum von „From Perfect Now On“ nicht so schnell überschritten sein wird. Gerrit Bartels

Trans Am: „Surrender To The Night“

Built To Spill: „From Perfect Now On“ (beide City Slang/Efa)

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