■ Querspalte: Zwischen Molle und Maß
Dös a no! Jetzt muß ausgerechnet Berlin über eine urbayerische Angelegenheit entscheiden. Weiß der Geier, welcher Teufel die hohen Herren des Bayerischen Verwaltungsgerichts geritten hat, das Bundesverwaltungsgericht in Berlin (!) über das Wohl und Wehe Bayerns entscheiden zu lassen. In der Frage des Kulturgutes Biergarten nämlich. Die Berliner Richter sollen, so wurde gestern in München entschieden, erst einmal in einem sogenannten „Vorlagebeschluß“ klären, „ob das Bundesimmissionsschutzgesetz eine ausreichende Ermächtigung für die Biergartenverordnung darstellt“. Ja, wo samma denn?
Die Verordnung hatte Landvogt Stoiber, getragen von einer Allparteienwoge der Begeisterung, letztes Jahr erlassen und den Münchnern dadurch einen angenehmen Sommer beschert. Sechs „gestörte Nachbarn“ (vulgo: Hanseln) hatten sich nämlich angeschickt, die uralte Münchner Institution in eine Nachmittagsveranstaltung umzuwidmen. „Schluß erst um 11 Uhr nachts ist angemessen“, hatte der weise Edmund da beschieden und schnell ein Gesetz gestrickt. Aber die Hanseln gaben nicht auf, zogen wieder vor Gericht, und jetzt, mitten im kalten Winter, haben wir den Salat. Eine Nord- Süd-Konfrontation droht, die an Königgrätz 1866 gemahnt, die letzte schwere Auseinandersetzung zwischen Bayern und Preußen.
Aber muß es wirklich wieder zum Letzten kommen? Es gibt noch Richter in Berlin. Sie haben es jetzt mit ihrer Entscheidung bei der „anhängigen Normenkontrollklage“ in der Hand, in der jahrhundertealten Geschichte des Verhältnisses zwischen Bayern und Reich ein neues, friedvolles Kapitel aufzuschlagen. Die List der Geschichte hat die Berliner Richter in eine Position versetzt, in der sie sich nicht nur um die bayerische Kultur verdient machen können, sondern auch ewige Freundschaft zwischen Molle und Maß zu stiften in der Lage wären. Wohlan denn, ihr Richter, ganz Bayern blickt auf euch. Die Welt schaut zu. Krieg oder Frieden. Thomas Pampuch
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