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Zweitjobs auf RekordhochImmer mehr wollen dazuverdienen

Über 2,6 Millionen Deutsche üben neben ihrer Arbeit eine Nebentätigkeit aus. Kurzfristig hat das finanzielle Vorteile. Die Nachteile zeigen sich später.

Besonders viele Akademiker finden sich unter den Zweitjobbern. Bild: dpa

BERLIN taz | Immer mehr Beschäftigte in Deutschland machen neben ihrem Hauptjob noch einen Minijob. Ob dies den niedrigen Verdiensten geschuldet ist oder ob sich manche Erwerbstätige freiwillig eine Kombination aus Haupt- und Nebentätigkeit zurechtzimmern, ist aus der Statistik schwer ersichtlich.

Nach den jüngsten Zahlen von Dezember 2012 verdienten rund 2,66 Millionen Menschen neben ihrer Hauptbeschäftigung in einem Minjob etwas hinzu, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Montag bestätigte. Damit verdoppelte sich der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Zweitjob innerhalb von nicht einmal zehn Jahren auf zuletzt 9,1 Prozent.

Verblüffend sei, dass der Anteil der Frauen unter den Beschäftigten mit Nebenjob relativ hoch ist, sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit. Rund 1,5 Millionen erwerbstätige Frauen haben einen Nebenjob. Aus der Statistik könne man aber nicht ersehen, ob die Haupttätigkeit ein Teilzeitjob sei oder nicht, so die Sprecherin.

Aus der Jobkombination können sich kurzfristige finanzielle Vorteile ergeben. Auf die Haupttätigkeit, auch wenn sie ein eher niedrig bezahlter Teilzeitjob ist, entfallen Sozialversicherungsbeiträge. Das Geld aus dem Minijob aber wird abgabenfrei hinzuverdient.

Die Nachteile zeigen sich später, weil aus dem Minijob keine Rentenansprüche erwachsen. Die Kombination von Haupt- und abgabenfreiem Nebenjob wurde erst mit der Reform der geringfügigen Beschäftigung im Jahre 2003 möglich.

Überstunden statt Nebentätigkeit

Besonders viele Nebenjobber gibt es im Handel, im Gastgewerbe und im Gesundheits- und Sozialwesen. Jan Jurczyk, Sprecher der Gewerkschaft Ver.di, widersprach allerdings der Vermutung, dass sich etwa in der Pflege viele Frauen nebenbei etwas dazuverdienen. Es stimme zwar, dass in der Pflege oftmals nur noch 30-Stunden-Verträge vergeben werden. Die Arbeitgeber würden aber nicht die Erlaubnis zu weiterer Nebentätigkeit geben, da man die Kapazitäten der Frauen oft für Überstunden bräuchte, sagte Jurczyk.

Im bundesweiten Durchschnitt hat jeder elfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Nebenjob. Der Anteil dieser Kombijobber lag dabei in Bayern etwas höher als der Durchschnitt, in Brandenburg und Sachsen-Anhalt hingegen erheblich niedriger.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, bezeichnete die Zunahme der Zweitjobs als „alarmierend“. Sie verwies auf Erkenntnisse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), nach denen Minijobs teilweise sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verdrängen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat vor einiger Zeit die Sozialstruktur von Menschen mit Nebentätigkeiten erhoben, wobei die Zweitjobs keine Minijobs sein mussten. Danach fanden sich unter den Mehrfachbeschäftigten überdurchschnittlich viele Akademiker, die oftmals nebenbei als Selbstständige arbeiteten.

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3 Kommentare

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  • R
    relativist

    "Die Arbeitgeber würden aber nicht die Erlaubnis zu weiterer Nebentätigkeit geben"

     

    1. muss die Anzeige von Nebenjobs im Arbeitsvertrag stehen

     

    2. dies hat den Hauptzweck das der Hauptarbeitgeber die belastungen erkennen kann (Arbeitszeit etc.)denn er ist verantwortlich und trägt z.b. die AU Kosten wenn der AN

     

    verunfallt

     

    3. verbieten kann der Hauptarbeitgeber nur dann wenn Konkurrenztätigkeit /- Unternehmen die gesamte Tätigkeit gegen Arbeitsgesetze verstossen

  • W
    Wolfgang

    Im Jahr 1988 hatte ein Junghandwerker im Holzgewerbe zw. 16 bis 20 DM pro Stunde Brutto. Heute, im Jahr 2013, liegt der Studndenlohn zw. 7-12 Euro Brutto, also nach 25 Jahren. Im Jahr 1994 hatte ich als Meister rd. 34-DM-Std.-Brutto und im Jahr 2005 nur noch rund 14 Euro-Std.

     

     

     

    Während meiner Erwerbslosigkeit (ALG I.) versuchte die Arbeitsagentur mich für 7,35 Euro-Brutto, 40-Wo.-Std. plus 11-Std. Arbeitsweg, als Meister und Projektleiter zu verkaufen. // Zuvor hatte ich mtl. rund 2500 Euro Brutto. Nun sollte ich nur noch mtl. 1200 Brutto erhalten (mein Arbeitslosengeld lag mtl. bei ca. 983 Euro-Netto).

     

     

     

    Telefonisch bekam ich auch schon die Aufforderung, über die Arbeitsagentur, meine Arbeitskraft an Leihfirmen für weniger als 40 Prozent vom Tariflohn zu verkaufen!

     

     

     

    Nachtrag: 1953 gab es in der DDR wg. '10 Prozent' einen sog. 'Volksaufstand'. Heute befinden sich mehr als 12 Millionen Erwerbstätig im Niedriglohn, vor allem Frauen. Insgesamt bereits mehrere Millionen mit halbierten Arbeitslöhnen. -

     

     

     

    Vor allem hieraus, entgegen den vorsätzlich falschen (CDU-SPD-)Behauptungen der staatlichen Bundesarbeitsagentur, ergibt sich auch die (erzwungene) lebensnotwendige "Nebentätigkeit".

  • Wenn der Job zusätzlich ist, dann hat man doch die Rente aus dem ersten Job. Das man also weniger Rente bekommt geht nur unter der Prämisse das man dort AUFGRUND DES NEBENJOBS auf Überstunden oder eine Beförderung verzichtet.

     

     

     

    Keine vollkommen unrealistische Sichtweise für Einzelfälle, aber in der Generalisierung schon ein sehr spezieller Fokus.