Zweite Bundesliga: Trauriger Torschütze
Union spielt 1:1 gegen Aue. Stürmer Mosquera trifft endlich wieder - und entschuldigt sich dennoch.
Nach dem Schlusspfiff stand er lange ganz alleine da, in der Nähe des Mittelkreises, den Kopf gesenkt. John Jairo Mosquera, der 81 Minuten zuvor noch der umjubelte Held war, wirkte wieder wie ein Verlierer. Weil er nach seinem Tor zum 1:1 noch so viele Chancen vergeben hatte. Der Mann mit den hängenden Schultern, der noch vier Mal frei vor dem Torwart aufgetaucht war - und immer versagte.
Das kannte man von ihm. Aus den letzten neun Monaten. 28 Stunden Spielzeit war er ohne Treffer geblieben. 24 Partien lang. Da war dieses eine Tor beim Remis am Freitagabend gegen Erzgebirge Aue nur teilweise eine Erlösung. Trost gab es erst von Assistenztrainer André Hofschneider, dann von Pressesprecher Christian Arbeit, der Mosquera den rasierten Schädel tätschelte. Später kam Trainer Uwe Neuhaus dazu. Von ihm gab es Mitgefühl, das sich noch anders äußerte als in einer Umarmung. "Wenn das so weitergeht, werde ich stinksauer", schimpfte Neuhaus in eine Kamera, "warum immer er?" Der Reporter hatte harmlos nach Mosquera gefragt.
Christian Beeck, der Manager, nahm Mosquera auch erst in den Arm - und dann in Schutz. "Er ist ein junger Mann, der es nicht leicht hat", sagte Beeck: "Ich habe heute den alten John gesehen, der sensationell gespielt hat." Beeck hat sich privat viel mit dem 22-Jährigen beschäftigt, der schon als Kind ohne richtige Schulbildung in den Profifußball geschubst wurde: Mit 14 gab er sein Debüt in der 1. Liga Kolumbiens. Mit 16 Jahren schon wurde er ins Ausland verscherbelt, nach Argentinien. Gerade volljährig, fand er sich bei Werder Bremen wieder. Seitdem ist er fünf Mal verliehen worden. "Wenn John jede Chance verwerten würde, hätten wir ihn nicht - er würde in der 1. Liga spielen", so Neuhaus: "Für mich zählt, dass er sich fast alle Chancen selbst erarbeitet."
Und doch: Ob Mosqueras eine Zukunft über Juni hinaus bei Union hat, ist ungewiss. Der Leihkontrakt läuft aus. Wenn er nicht schnell wieder zum Knipser wird, ist das für ihn und den Klub problematisch. "Die Ungewissheit ist nicht schön für ihn", weiß Beeck, "aber es gibt Schlimmeres, als zu einem Klub wie Werder zurückzumüssen." Dort steht er bis 2012 unter Vertrag, Union könnte eine Kaufoption ziehen. "Wie unsere Überlegungen dazu sind, das ist jetzt keine wichtige Frage", so Beeck: "Wir haben alle keinen Zeitdruck."
Doch ganz sicher ist sich der Manager auch nicht, wie sehr Mosquera das Thema belastet: "Wir wissen, wie sensibel John ist." Mosquera würde gerne auf Dauer bei Union bleiben. Am Wochenende sagte er - nichts. Zumindest nicht zu Journalisten. Auf Druck der Klubführung. "Er soll sich erst mal hinsetzen, alles verarbeiten, essen, schlafen, zur Ruhe kommen", sagte Beeck: "Es war eine harte Zeit für ihn." Das klang nicht bevormundend, sondern fürsorglich.
Von einem Mitspieler war am Tag nach der Partie zu hören, Mosquera habe sich entschuldigt - dass er den Sieg vergeben habe. Und deshalb sei er nicht rundum glücklich über sein Tor. Dabei betonten einige Kollegen, wie sehr sie sich für ihn freuen würden. "Bei John ist endlich der Knoten geplatzt", sagte Karim Benyamina, noch einer mit Ladehemmung, "bestimmt werde ich auch bald wieder treffen." Es wäre arg nötig, denn sechs Punkte aus acht Spielen - das ist ein richtiger Fehlstart für das Team aus Köpenick. Und bei dieser schlechten Chancenverwertung kommt automatisch die Frage: Pech oder Unvermögen?
Mosquera könnte die Antwort geben, in den nächsten Wochen Abstiegskampf. Weshalb Neuhaus, der noch kürzlich eingeräumt hatte, womöglich zu lange an dem Angreifer festgehalten zu haben, demonstrativ flunkerte: "Ich habe immer an ihn geglaubt. Der Treffer wird ihm helfen, seinen Torinstinkt wieder zu finden." Union braucht Mosqueras Instinkt - und seine Tore. Dringend.
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