: Zweimal tragen vor dem Waschen
FASHION WEEK BERLIN Berlin ist die erste Stadt, in der man im Masterstudiengang „Sustainability in Fashion“ nachhaltigen Umgang mit Textilien lernt. Noch ist umweltschonende Mode ein Luxus
VON DIANA WEIS
Das Wesen der Mode ist ihr zyklischer Wandel, ohne den saisonalen Rhythmus von Verfall und Erneuerung müsste man lediglich von Bekleidung sprechen. Damit bildet die Mode die perfekte Synthese von Kapitalismus und Selbstdarstellung. Ohne Not bringt die Mode die Menschen dazu, sich ständig neue Kleidungsstücke zu kaufen. Das dabei weniger körperliche als vielmehr geistige Bedürfnisse befriedigt werden, erkannte der Kulturphilosoph Georg Simmel bereits 1905, als er mit seiner „Philosophie der Mode“ ein frühes Manifest gegen die Jagd nach dem immer anderen verfasste.
Die Berliner Modewoche, die ab morgen bereits zum achten Mal stattfindet, ist perfekt eingebunden in die globalen Produktionsabläufe einer Industrie, die sich zweimal im Jahr neu erfindet. In dieser Saison zeigt sich, dass die Mode nicht nur ästhetischen, sondern auch sozialen und ökologischen Trends folgt. Das Wissen um die gedankenlose Verschwendung von Rohstoffen in der Produktion, die Existenz von Sweatshops und den Einsatz von giftigen Pestiziden und Färbemitteln führt bei immer mehr aufgeklärten Endverbrauchern zu Unbehagen.
Das Schlagwort der Nachhaltigkeit ist in der Modebranche angekommen. Gleich drei Veranstaltungen widmen sich bei dieser Fashion Week dem Nischensegment Ökomode: der „Green Showroom“ im Hotel Adlon, die „Green Avantgarde“ im Kreuzberger Umspannwerk und der „Humanity in Fashion“-Award der Firma Hess-Natur, der am 20. Januar erstmals im Römischen Hof verliehen wird.
Friederike von Wedel-Parlow ist frischgebackene Professorin des brandneuen Masterstudiengangs „Sustainability in Fashion“. Ab Herbst dieses Jahres können Designer sich an der Berliner Esmod ein Jahr lang ganz offiziell in nachhaltiger Mode ausbilden lassen, bislang das einzige Angebot dieser Art in Deutschland. „Viele Leute haben immer weniger Lust auf Shoppen, dafür aber auf gute und saubere Produkte“, sagt sie. „Es geht darum, neue Antworten zu finden und Einschränkungen als Möglichkeit zu sehen, ökologisch mit Mode umzugehen.“ Neben dem biologischen Anbau von Naturfasern, der immer noch riesige Mengen Wasser verschlingt, spricht sie auch von den Einsatzmöglichkeiten neuer synthetischer Materialien, dem Recycling gebrauchter Kleidungsstücke und der Entwicklung von Zero-Waste-Schnitten, die keine Stoffabfälle produzieren.
Ein Problem sieht von Wedel-Parlow vor allem darin, dass Ökologie in der Kleidung sich dem Konsumenten nur indirekt vermitteln ließe: „Innovationen betreffen zwar die Lebensbedingungen der Feldarbeiter und Färber, aber weniger die der Endverbraucher.“ Dies führe dazu, dass die Konsumenten sich in zwei Lager aufspalten: die gesichtlosen Massen, die sich mit billiger Wegwerfware aus dem Discounter einkleiden, und eine Elite, die es sich leisten kann, auf Langlebigkeit zu achten. Das Geld und die Muße zu besitzen, sich Gedanken darüber zu machen, woher die gekauften Kleidungsstücke stammen, ist der neue Luxus des 21. Jahrhunderts.
Die neue Ökomode soll jedoch nicht nur die Manufactum-Crowd ansprechen, sondern setzt auf ein jüngeres und kreatives Käuferfeld. „Die Herausforderung besteht darin, den Wunsch nach Veränderung trotz Langlebigkeit zu befriedigen“, sagt von Wedel-Parlow. Sie plädiert für einen ökologischen Pragmatismus: „Zwischen den Extremen der totalen Reduktion und des totalen Konsums gibt es noch einen Mittelweg.“ Ein Umdenken müsse nicht nur in der Herstellung und im Einkauf von Kleidung stattfinden, sondern auch in deren Gebrauch: „Man sollte sich überlegen, ob es wirklich notwendig ist, ein T-Shirt nach jedem Tragen zu waschen.“
Der Spagat zwischen Innovation und Bewahrung zeigte sich zur letzen Fashion Week bereits in einem deutlichen Hang zum Dressing-down: erdfarbener Rezessionsschick, Vintage-Trend und Grunge-Revival statt Glitzer und Glamour. Wenn ab Mittwoch wieder die Reichen, die Schönen und die Stilvollen über Bebelplatz und Torstraße paradieren, werden sie uns auch vorführen, wie unsere Zukunft aussieht.
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