Zweifel an Eherechtsreform: "Rechtliche Wirkung hat nur das Standesamt"
Der Erlanger Rechts- und Islamwissenschaftler Mathias Rohe befürchtet Missverständnisse durch die Zulassung so genannter Imam-Ehen.

taz: Ab nächsten Jahr sind in Deutschland rein religiöse Hochzeiten erlaubt. Wird es künftig mehr Ehen geben, die nur vor dem Imam geschlossen werden?
Mathias Rohe: Ob es mehr werden, weiß ich nicht. Denn es gibt solche Heiraten auch heute schon. Bisher war das aber als Ordnungswidrigkeit verboten. So stand es im Gesetz.
Aber einem Imam, der gegen das Gesetz verstieß, drohte laut Gesetz nicht einmal ein Bußgeld. Faktisch ändert sich durch die Neuregelung also nicht viel.
Warum soll es künftig erlaubt sein, nur kirchlich oder religiös zu heiraten?
Das Verbot stammt ja ursprünglich aus der Zeit, als Reichskanzler Bismarck im so genannten Kulturkampf den Einfluss der katholischen Kirche zurückdrängen wollte. Dabei wurde 1875 auch die Zivilehe eingeführt. Das heißt, dass die rechtlich relevante Eheschließung beim Standesamt erfolgt. In der christlich geprägten Mehrheitsgesellschaft ist dies längst völlig akzeptiert. Deshalb sah man das Verbot einer rein kirchlichen Eheschließung heute als überflüssigen Eingriff in die Religionsfreiheit an.
Und bei Muslimen?
Da hat der Gesetzgeber wohl übersehen, dass heute Menschen in Deutschland leben, für die eine religiös bestimmte Eheschließung noch normal ist. Ich meine hier weniger die Türken, denn in der Türkei ist seit Atatürks Zeiten auch die Zivilehe maßgebend, aber es gibt ja auch muslimische Zuwanderer aus Afghanistan oder Pakistan, für die so etwas eher ungewohnt ist.
Ist das ein Problem?
Probleme können entstehen, wenn Menschen glauben, sie seien im rechtlichen Sinne verheiratet, dabei sind sie es gar nicht. Da kann es später ein böses Erwachen geben, wenn es um Unterhaltsansprüche geht oder um Aufenthaltsrechte oder eine Witwenrente.
Die rein religiöse Heirat hat also keine rechtliche Wirkung?
Grundsätzlich ist die rechtliche Wirkung der Ehe an die beim Standesamt geknüpfte Zivilehe geknüpft. Ausnahmen gibt es nur, wenn eine religiös bestimmte Ehe schon vor der Einreise nach Deutschland geschlossen wurde.
Sollte man die Erlaubnis zur rein religiösen Eheschließung in Deutschland wieder zurücknehmen?
Nicht generell, denn es kann durchaus ein praktisches Bedürfnis geben. Wenn etwa zwei Flüchtlinge aus dem Irak heiraten wollen, aber wegen der Wirren in der Heimat nicht die nötigen Papiere vorlegen können, dann ist eine rein religiös geschlossene Ehe ein Weg, zumindest eine soziale Legitimation für ihr Zusammenleben zu schaffen.
Was schlagen Sie vor?
Für sinnvoll halte ich, wenn Pfarrer oder Imame, die rein religiöse Hochzeiten vornehmen, darüber informieren müssen, dass dieses Ritual keine rechtlichen Folgen hat. Und wenn sie ihre Informationspflicht verletzten, dann sollten Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das würde schnell teuer, wenn etwa ein Erbanspruch wegen der nur informellen Eheschließung nicht entstanden ist.
Die SPD-Politikerin Seyran Ates befürchtet, dass die Neuregelungen Tür und Tor öffnen für muslimische Vielehen und Zwangsheiraten. Hat sie recht?
Zwangsehen und Vielehen sind bereits strafrechtlich verboten, daran ändert sich nichts.
Sind von diesen Verboten auch reine Imam-Ehen erfasst?
Gemeint ist hier wohl nur die Ehe beim Standesamt. Soweit rein religiöse Zwangs- und Vielehen nicht von den Verboten erfasst werden, müssen diese Strafbarkeitslücken im Strafgesetzbuch geschlossen werden.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
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