Zwei neue Fußballmagazine aus NRW : Verschwitzte Korrekturen der 1970er
Das Panini-Album ist annehmbar gefüllt, die jüngste DVD-Box der 70er Jahre ZDF-Fußball-Serie „Manni der Libero“ gekauft und das Zweitliga-Konferenzabo beim Pay-TV-Sender Premiere bestellt. Und zum Fußball als siebentageprowöchiger, casual Lebensstil gehört auch die Lektüre dieser Blätter aus dem Ex-Fanzine-Spektrum. In dieser Saison neu und gut: das Fußballsatire-Magazin Schwalbe. Zum Toreabstecken: das Puma-Merchandiseprodukt Bolzen, ein „Zentralorgan für Freizeitfußball“.
„Eine Schwalbe macht den Sommer. Lachen ist gesund“, schreibt Schwalbe-Macher Oliver Kubanek im Geleitwort des „elfmeterrreifen“ Heftchens (2 Euro). Die Redaktion mit Sitz in Dortmund hat seit dem Frühsommer nun schon drei verwandelt – mit jeweils rund 20-seitigen Ausgaben. Auf Hochglanz gedruckt, aber dezent layoutet, lesen wir die Folge 1 der hoffentlich langen Serie: „Ikonen des Sportjournalismus – die 100+1 Dahlmanntinischen Lehrbeispiele“. Korrekt beginnt die Reihe mit dem Schuldigen selbst, dem TV-Reporter Jörg Dahlmann (DSF). Der „Halten sie mich für verrückt“-Krakeeler aus der liquidierten ran-Redaktion bekommt sein Fett weg, seine „sorgfältig recherchierten bewegenden Investigativbilder“ erfahren eine gut abgehangene Würdigung.
Auch das Spezialheft zur Fußball-EM in Portugal ist den Dortmundern gelungen. Höhepunkt: ein journalistischer finaler Rettungsschuss gegen „the good, the bad and the ugly“, die Kommentatorenriege von ARD und ZDF bei der EM. Dort lesen wir über den „ewigen Praktikanten“ vom Lerchenberg, den Teilnehmer der „ZDF-Sportlerresozialisierungsgruppe“, Herrn Rudolf Cerne aus Herne: „Möglicherweise hat er Ahnung von Eiskunstlauf, lässt sich aber nur schwer beurteilen, weil er immer so auftritt, als hätte er keine Ahnung von gar nichts, außer es hat einer vorher auf den Zettel geschrieben.“ Auch im neuesten Schwalben-Heft spielt Cerne eine Hauptrolle. Für sein Sportstudio-Verhör des gestürzten Löwen-Präsidenten Wildmoser hat Cerne jede Kritik und Häme verdient.
Die ironische Distanz der Schwalbe erreicht Bolzen, das neue Freizeitfußballbrevier aus dem Kölner Intro-Verlag, leider nie. Hier wird gepölt, das Umsonstmagazin aus Zeitungspapier macht auf mit bäuchigen Freizeitkickern – alle in Jerseys des Blattsponsors Puma. Im Stile der einstweilen nach Berlin exilierten Bielefelder Schule blicken Thirtysomethings auf penetrant-verklärende Weise zurück auf den Straßenfußball der 70er.
Das fußballerische Scheitern auf niedrigem Niveau wird schön geschrieben, Hobbyligen werden zu Championsklassen hochsterilisiert, verschwitzte Korrekturen am niedersten Spielbetrieb angebracht. Dazu stellen uns die Bolzer Fragen, die längst beantwortet sind: „Rasen oder Asche?“
Einziger Hingucker der Werbeschrift aus der Zweitligastadt mit Dom: die schönen Fußballtor-Fotografien des Briten Neville Gabie. Aber dafür sollte man besser Gabies neues Büchlein „Playing Away UK“ kaufen, statt sich als Leser vors Schienenbein treten zu lassen. MARTIN TEIGELER