Zwei Geschichten des Scheiterns

■ Nicolaus Schröder über „The Lady from Shanghai“ und die Hamburger Filmszene

100 Jahre Kino. Filmemacher und Kritiker stellen aus diesem Anlaß im Abaton-Kino Filme vor, die sie für wichtig halten. Nicolaus Schröder, Filmredakteur der Szene, entschied sich für Orson Welles' The Lady from Shanghai.

taz: Der Versuchung, originell sein zu wollen, hast Du mit Deiner Wahl ja nicht gerade nachgegeben.

Nicolaus Schröder: Nun, ich habe mir überlegt, was für die jetzt 100jährige Geschichte des Films entscheidend ist. Und Filmgeschichte ist ja zu einem guten Teil auch Hollywood-Geschichte, und die wiederum ist eine große Geschichte des Scheiterns. Wer die ganz großen Talente sind, das haben die Mogule nicht erkannt, ob nun Stroheim, Preston Sturges oder Orson Welles. Welles steht also stellvertretend für eine Vielzahl von Leuten, die nie so Filme machen konnten, wie es ihren Möglichkeiten entsprochen hätte.

Und warum gerade dieser Film?

Lady from Shanghai zeigt, was Kino sein kann. Im Fernsehen ist das unglaublich öde, auf der Leinwand aber haut es einen um. Wie Welles mit Räumen umgeht, ist bis heute nie mehr wiederholt worden.

Was ist darüber hinaus das Besondere an dem Film?

Welles hat alles mit Totalen gelöst. Dann hat er auch sehr wenig mit Schnitten gearbeitet. Im ersten Moment wirkt der Film ja sehr verspielt, aber im zweiten Moment merkt man dann, was für eine große Logik der Film hat. Es gibt in ihm eine enorme Ökonomie der Mittel. Was man erst für extravagant hält, erweist sich beim genaueren Hinsehen als sehr gezielt und sparsam.

Aber ist der Film nicht auch reichlich melodramatisch?

Ich glaube, das liegt allein an der Musik. Die Musik ist Kitsch, eine Katastrophe. Welles selbst hat sich da bitterlich drüber beklagt. Der Film wird ja nicht so gezeigt, wie er es sich gewünscht hätte. Vor allem die Tonspur entsprach nicht seinen Vorstellungen, aber auch die Montage ist an einigen Stellen anders.

Wo wir gerade mit Dir reden: Wie beurteilst Du die Turbulenzen in der Hamburger Filmszene, vor allem was das Filmfest und die Berufung des Aufsichtsrats der neuen Filmförderungs GmbH betrifft?

Schade ist vor allem, daß das Modell der selbstverwalteten Filmförderung sang- und klanglos aufgegeben wurde. Es hat da ja so gut wie keinen Widerstand mehr gegeben. Nun gut, es gab vor einigen Tagen die etwas wirre „Hamburger Erklärung“ des Filmbüro-Vorstands. Hier wurden die Entwicklungen noch einmal angeprangert, aber das läßt sich ja kaum als Widerstand bezeichnen. Vor allem kam sie viel zu spät. Was passierte, der Ausverkauf ans Fernsehen, war absehbar, jetzt haben wir diese Situation. Eigentlich haben das Hamburgs Filmemacher nicht verdient, denn es sind in den letzten Jahren tolle Sachen gemacht worden.

In Deinem Kommentar in der letzten „Szene“ hast Du ein „Ende der Schonzeit“ für Platzhirsche gefordert.

Ja, das Fürchterliche ist, daß der Vorstand des Filmbüros nicht kapiert hat, daß sie von ihren eigenen Leuten hintergangen wurden, von ihrer eigenen Geschäftsführung, die schon sehr früh versucht hat, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Das hätte man früher merken müssen.

Fragen: Dirk Knipphals

Abaton, heute, 20.15 Uhr