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Zwangsarbeit für Irans Drogenabhängige

■ Arbeitslager für eine erste Gruppe von 55.000 Usern

Teheran (afp/taz) - Nach den Massenhinrichtungen von iranischen Drogenhändlern brechen jetzt auch harte Zeiten für die Konsumenten an: Am Sonntag wurde eine erste Gruppe von 55.000 buchstäblich in die Wüste geschickt, wo sie in Arbeitslagern „geheilt“, also ausgebeutet werden sollen.

Im Mai hatte die Regierung den auf eine Million geschätzten Drogenkonsumenten ein Ultimatum bis zum 23.Juli gesetzt. Nun verkündete der Vizekommandant der Revolutionskomitees, Mochtar Kalantari, daß bisher 200.000 „Abhängige“ von den Behörden karteilich erfaßt wurden. Die erste Gruppe der „Wiederholungstäter“ soll nach diesen Angaben in abgelegene, wüstenartige Regionen geschickt werden. Dort sollen sie tagsüber für die örtlichen Gemeinden, das Transportministerium oder regionale Dienste arbeiten. Abends kehren sie dann in ihre Lager zurück, wie ein Leiter der Kampagne erklärte. Auf die restlichen 150.000 Abhängigen wartet die gleiche Tortur.

Im Drogengesetz vom 21.Januar 1989 wurde der Konsum jeglicher Betäubungsmittel zum Verbrechen erklärt. Jede Person, die dagegen verstößt, kann für sechs Monate in ein Arbeitslager gesteckt werden, um dort einer „erzwungenen Entgiftung“ unterzogen zu werden. Erstmals seit dem Sieg der iranischen Revolution 1979 richtet sich der Kampf der Ayatollahs nicht nur gegen Dealer, sondern gegen eine riesige Anzahl von Drogenabhängigen. In den letzten zehn Jahren hat Heroin das früher weit verbreitete Opium auf Platz eins abgelöst. Ungeachtet zahlreicher Kampagnen gegen den Drogenkonsum ist die Zahl der Abhängigen im Zuge von Krieg, Frustration und Verarmung gestiegen. Selbst die massive Hinrichtungskampagne, der 750 Menschen zum Opfer fielen, nützte nichts. Oppositionelle Iraner haben wiederholt darauf verwiesen, daß es sich bei einem Teil der angeblichen Dealer in Wirklichkeit um politische Gefangene handele.

Parallel zur Zwangsarbeit für Abhängige will die Teheraner Führung entlang der Grenze zu Pakistan, einer Drehscheibe des internationalen Drogenhandels, 210 „Widerstandsbasen“ und 90 von Revolutionsgardisten und -komitees besetzte „Kontrollposten“ einrichten. Nach Angaben des Komiteemitglieds Seyyed Mahmud Mirlohi soll außerdem der pakistanisch-afghanisch-iranischene Grenzbereich zu einer „verbotenen Zone“ erklärt werden, um Schmuggler in der unwegsamen Gegend aufzuspüren.

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