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Zuwenig Medizinfrauen

■ Schleswig-Holstein: Medizinbetrieb an den Unis bleibt traditionell frauenfeindlich

In Schleswig-Holstein sind Medizinerinnen auf Professoren- und Chefarztposten kaum vertreten. Dies hat die Soziologin Josephine Mesletzky vom Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (ZiF) an der Kieler Christian-Albrechts-Universität in ihrer Studie „Beruf und Familie bei Medizinerinnen und Medizinern“ herausgefunden. Besonders auffällig: Von insgesamt 96 Professorenstellen sei 1990 lediglich eine von einer Ärztin besetzt gewesen. Seitdem ist die Zahl nach Angaben des Wissenschaftsministeriums auf ganze vier Professorinnen gestiegen.

Eine Trendwende erwartet Frau Mesletzky jedoch nicht. Denn: Seit 1982 habe der Anteil der Medizi-nerinnen, die die akademische Lehrbefugnis erwarben, die Acht-Prozent-Marke nicht überschritten – trotz eines traditionell hohen Frauenanteils unter den Erstsemestern des Medizinstudiums; 1990 waren 49 Prozent Frauen.

Die noch unveröffentlichte Studie beruht auf einer Erhebung an den schleswig-holsteinischen Universitäts-Kliniken in Kiel und Lübeck. Zusätzlich seien Daten der Statistischen Landesämter herangezogen worden, erläuterte die Soziologin am Freitag gegenüber epd.

Weibliche Nachwuchskräfte, so die Wissenschaftlerin, würden weniger gefördert, weil offenbar noch ein Großteil der Vorgesetzten ein Ausscheiden nach einer Schwangerschaft befürchte. Bei den Uni-Kliniken im nördlichsten Bundesland zeige sich die Benachteiligung durch eine häufigere Befristung der Arbeitsverträge mit Medizinerinnen: 86 Prozent arbeiteten 1990 auf begrenzte Zeit, bei den Kollegen waren es 77 Prozent. Auch die durchschnittliche Dauer der Befristung sei bei Ärztinnen mit 2,6 Jahren um ein halbes Jahr kürzer gewesen, bei Ärzten betrug sie durchschnittlich 3,2 Jahre.

Verantwortlich für den Frauen-Rückstand sei noch immer das traditionelle Rollenverständnis in der Hierarchie des Medizinbetriebs, sagte Mesletzky. Die althergebrachten Vorstellungen erleichterten es den Männern nach wie vor, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. So waren 70 Prozent der Ärzte verheiratet, während nur 40 Prozent ihrer Kolleginnen neben der Karriere eine amtlich beglaubigte Lebensgemeinschaft aufbauen könnten. Folglich haben 60 Prozent der Mediziner Kinder in der Familie, von den Medizinerinnen sind es nur 34 Prozent. epd

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