Zuständigkeit für Atomendlager: Empörung über Privatisierungsplan
Für den Plan von Umweltminister Röttgen, dem Strahlenschutzamt die Zuständigkeit für Endlager zu entziehen, wäre wohl eine Gesetzesänderung nötig.
BERLIN tazdpaDie Pläne von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), das Bundesamt für Strahlenschutz teilweise zu entmachten und die Zuständigkeit für Atommüll auf einen privaten Betreiber zu übertragen (taz von gestern), stoßen auf Kritik. "Mit diesem Versuch, Gorleben möglichst billig als Endlager durchzudrücken, zerbröselt der grüne Anstrich von Röttgen. Er erweist sich als Marionette der Atomwirtschaft", sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg.
Im Bundesumweltministerium gibt es nach Information der taz konkrete Überlegungen, die Endlagerung zu privatisieren. Möglicherweise soll die Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), die derzeit nur als Dienstleister für die Erkundung von Gorleben tätig ist, zum offiziellen Betreiber werden. Die DBE gehört zu 75 Prozent den Atomkonzernen. Damit würde der derzeitige Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), entmachtet.
Die Behörde wurde von den Plänen des Ministeriums offenbar überrascht. "Wir können das nicht weiter kommentieren, da das BfS in diese Diskussion bislang nicht eingebunden ist", sagte Sprecher Florian Emrich der taz. Er verwies darauf, dass das BfS einen "gesetzlichen Auftrag" als Betreiber hätte. Eine Änderung der Zuständigkeit ist demnach nur durch eine Gesetzesänderung möglich.
Zur Begründung für den Vorstoß wird in der Abteilung Reaktorsicherheit des Umweltministeriums nach Informationen der Deutschen Presseagentur mit der "problematischen Doppelrolle" der Strahlenschützer argumentiert: Das in Salzgitter sitzende BfS unter Leitung seines Präsidenten Wolfram König könne nicht Betreiber der Anlage sein und zugleich oberste Atomaufsicht.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ulrich Kelber hält dies für einen Vorwand. "Röttgens wahrer Beweggrund ist doch wohl, die kritischen Geister im Bundesamt für Strahlenschutz zu entmachten", sagte er. Das BfS vertritt in zentralen Endlagerfragen eine abweichende Haltung: Während Röttgen nur den Standort Gorleben erkunden lassen will, hatte BfS-Präsident Wolfram König wiederholt einen Vergleich mit anderen Standorten gefordert. Auch Röttgens Vorschlag, den Atommüll aus dem undichten Endlager Asse in das neue Endlager Schacht Konrad zu bringen, hatte König widersprochen. "Das BfS hat zu keinem Zeitpunkt gesagt, die Abfälle kommen dorthin. Dies ist eine politische Zielstellung des Bundesumweltministers Norbert Röttgen gewesen", sagte König der Salzgitter-Zeitung.
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