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Zusätzliche CO2-ProduzentenNeue Kohlekraftwerke für Deutschland

Neun Kohlekraftwerke werden derzeit gebaut, für sieben sind Genehmigungen beantragt und 14 sind in Planung: Das macht fast 200 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß zusätzlich.

Protest gegen neues Kohlekraftwerk in Boxberg. Bild: ap

BERLIN taz | Nach den Plänen der Energiekonzerne sollen in den nächsten Jahren in Deutschland 30 neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Neun davon befinden sich bereits im Bau. Das größte Projekt ist das RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen: Für mindestens 2,2 Milliarden Euro entstehen Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von 2.200 Megawatt. Bereits 2010 soll das Kraftwerk ans Netz gehen, der Kohlendioxidausstoß beträgt 16,6 Millionen Tonnen jährlich. Wenn mit dem Vattenfall-Kraftwerk Hamburg-Moorburg 2012 alle derzeit im Bau befindlichen Projekte am Netz sind, steigt der Kohlendioxid-Ausstoß der Bundesrepublik um 65 Millionen Tonnen an: also um fast acht Prozent.

Und weitere Kraftwerksprojekte werden dazukommen: In Brunsbüttel entscheidet dieser Tage der Stadtrat über den Bebauungsplan für ein 800-Megawatt-Kraftwerk, den der französische Konzern GDF Suez beantragt hat. In Vorpommern will der dänische Staatskonzern DONG ein 1.600-Megawatt-Kraftwerk errichten, im Emsland hat der Schweizer Konzern BKW Gleiches vor.

Dass so viele ausländische Investoren auf den deutschen Markt drängen, hat zwei Gründe: Weder in der Schweiz, in Frankreich, Schweden, Belgien noch in Dänemark dürften derartige Klimakiller gebaut werden. Zudem lockt in Deutschland eine traditionell kohlefreundliche Politik. Die Bundesrepublik ist der weltgrößte Braunkohleförderer und immer noch Europas zweitgrößter Steinkohleproduzent. Die politischen Rahmenbedingungen sind so günstig, dass sich sogar der grüne Heilsbringer Boris Palmer am Bau eines neuen Kohlekraftwerks beteiligt.

Vielerorts hat sich allerdings eine starke Klimaschutzbewegung gegen diese Kraftwerke gebildet. In Schwerin befasste sich der Landtag mit dem DONG-Projekt, in Dörpen (Emsland) musste der Bürgermeister zurücktreten, in Mainz und Wiesbaden machen mehrere Klimabündnisse mächtig Druck auf die dortigen Stadtwerke. In Mannheim stoppten Aktivisten Kohlezüge. Mehrfach tourten Klimaretter mit dem "Kohlosaurus" durchs Land, um gegen die Uralttechnologie zu demonstrieren. Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel musste sich immer wieder Nadelstiche gefallen lassen. Auf dem Bremer Kirchentag hatten Aktivisten am letzten Wochenende die Bühne gestürmt, um dem Minister 37.000 Unterschriften zu überreichen. Motto des Aufrufs: "Zukunft statt Kohle".

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9 Kommentare

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  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    @ rainbowsailor: Außer einem Ausbau der Wellenkraft in der Nord- und Ostsee, der Windkraft, der Geothermie und der Solarenergie auf Gebäude-Dächern und Teil-Überdachung von Parkplätzen, Straßen etc. wäre der Solarstromanteil v. a. in ganz Europa und Vorderasien (d. h. Kasachstan, Türkei ...) südlich des 47. Breitengrades verstärkt auszubauen, z. B. auch mit schwimmenden Solarinseln, die mit Wellenkraft-Bojen kombinierbar wären, auch teilweise mit (kleinen) Windrädern (wohl am besten mit senkrechter Achse, die bei heftigen Windeturbulenzen, wie sie auf dem Meer häufig sind, effizienter sind). Diese könnten in wenigen km Abstand zur Küste in weniger als 200 m tiefen Gewässern installiert werden, natürlich auch anderswo in der Welt ... Wo sind die Institutionen, Forschungsministerien u.s.w, die solche Innovationen fördern??? Ich verzichte sogar auf meine Patentrechte ;o)

  • BW
    Bern Walliser

    @ rainbowsailor: Stimmt, auch Deine Aussage zu den falschen Daten. 2008 waren es 0,6%.

     

    Wenn Deutschland im Herbst eine ökologisch intelligente Regierung bekäme (was leider nicht der Fall sein wird), könnte mit einem gezielten Green New Deal (ähnlich Lester R. Brown s Plan B ...) deutschlandweit der PV Anteil bis 2015 auf ca. 4% gesteigert werden und dann jährlich um jeweils weitere 4%, bis er 2021 ca. 28% erreicht hat, und zwar nur PV über bereits heute schon versiegelten Flächen, also keine Anlagen auf heutige Felder oder Wälder.

     

    Aber wie gesagt, es wird nicht geschehen. Die Pseudoszozialismen des 20. Jh.s bis gehören zu den Ursachen, da sie umfangreiche New Deals als "Kommunismus" in Verruf gebracht haben (weil die meisten Leute bis heute leider wichtige Unterschiede oft nur mangelhaft erkennen - sonst hätten ja Axel-Springer-Presse etc etc nicht annähernd so viel Publikum).

     

    Dennoch wird pv erzeugter Strom in den nächsten Jahren zumindest weiter wachsen, wenn auch weit unter den Möglichkeiten, die bei anderen politsch-ökonomischen Rahmenbedingungen (inklusive klügeren Wählern etc.) gegeben wären.

  • R
    rainbowsailor

    @ dondolo: "Selten so viel Blödsinn gelesen." Damit ist sicher dein eigener Kommentar gemeint. Vorschlag: Lies deine eigenen Kommentare einfach nicht, oder noch besser: schreib sie erst gar nicht :o))

     

    Übrigens nicht einmal die behaupteten 0,3% deiner aussage stimmen. Wir leben im Jahre 2009. Aufwachen! Übrigens werden AKW und deren Müll - selbst wenn kein Ufall passieren sollte und auch die Folgen der schon durch den Normalbetrieb verursachten Krebserkrankungen nicht mitgerechnet - ebenfalls durch Milliarden (Euro) subventioniert. Und nebenbei hat die Photovoltaik in Deutschland z. B. schon bisher viel mehr Arbeitsplätze geschaffen, als die Atomindustrie. Auch in dieser Hinsicht eine viel sinnvollere Subvention.

  • EM
    Eberhard Meißner

    Es ist unglaublich, aber wahr: Die Bundesregierung hat kein schlüssiges Energiekonzept. Gabriel hielt bisher an der Kohle fest, um den vorzeitigen Atomausstieg abzusichern. Inzwischen steht fest, dass es keine Stromlücke gibt, wenn die neun genannten im Bau befindlichen Kohlekraftwerke gebaut werden, trotz politisch gewollten vorzeitigen Atomausstiegs. Diesbezüglich hat auch die dena ihre Meinung geändert. Allerdings werden Seitenhiebe durch die dena verteilt, wie am Donnerstag auf der Tagung des Sachverständigenrates für Umweltfragen – der Gabriel berät – indem der Neubau von Kohlekraftwerken in Deutschland mit dem steigenden Elektroenergiebedarf in der Welt, besonders in China, begründet wird.

    Der Gipfel des Unvorstellbaren ist der Plan von DONG Energie, in Lubmin ein Kohlekraftwerk mit einer thermischen Leistung von 3.700 Millionen Watt bauen zu wollen. Lubmin liegt zwischen Rügen und Usedom und inmitten diverser europäischer Schutzgebiete. Unglaublich, aber wahr ist, dass die Landesregierung an diesem Projekt festhält. Eine Volksinitiative, die innerhalb weniger Wochen 32.000 Unterschriften gegen das geplante Kraftwerk dem Landtag einreichte, wurde regelrecht abgebügelt. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass 58 Prozent der Bevölkerung des gesamten Bundeslandes gegen und nur 35 Prozent für das Kohlekraftwerk sind. Dennoch wird der Investor nun schon zum dritten Mal aufgefordert, seine Antragsunterlagen zu ändern, mit dem Ziel der Genehmigungsfähigkeit. Statt das Vorhaben abzulehnen, weil die eingereichten Unterlagen eine Genehmigung ausschließen, fleht man den Investor an, immer weiter „nachzubessern“. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun. Aber gerade Gabriels Genossen Sellering und Backhaus versichern pausenlos den Kraftwerksgegnern ein rechtsstaatliches Verfahren. Zu Gabriel kann ich nur sagen: „Die Botschaft hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ An ihren Taten werden wir sie messen.

    Fachleute aus den dortigen Bürgerinitiativen haben ein Energiekonzept „KREDO“ erarbeitet, welches auch auf ganz Deutschland übertragen werden kann. Der Kanzlerin, der Landesregierung und weiteren Entscheidungsträgern liegt es vor. Abrufbar ist es hier (2,3 MB):

    http://www.kein-kohlekraftwerk-lubmin.info/images/downloads-links/KREDOApril2009.pdf

  • KK
    klaus keller

    aus dem artikel geht nicht hervor wieviele alte kraftwerke stillgelegt werden.

    ich kann mir nicht vorstellen das in deutschland kohle und kernkraftwerke gleichzeitig abgeschaft werden können.einheimische braunkohle ist mir lieber als noch mehr öl/gas aus dem nahen osten oder aus russland und von atomstrom aus dem rest der eu will ich auch nicht abhängig werden.

    nicht nur die einheimische industrie wird strom kaufen wo er billig ist,im ungünstigen fall wandert die industrie ab und wir gewinnen nichts wenn die steinkohle aus australien oder afrika in anderen staaten mit weniger effizienz verbrannt wird.für das klima ist es wurscht wo das CO2 in die luft geblasen wird.wenn ich an die e.on pläne für das kohlekraftwerk staudinger(nahe hanau) denke und die diskusssion darum habe ich den eindruck die leute wollen das kraftwerk nur nicht vor der haustür haben ,ihr leben ändern so das es in der geplanten größe nicht nötig ist wollen sie eher nicht.wenn ich noch daran denke das leute auf die idee kommen mit elektrofahrzeugen die umwelt zu schonen ohne sich zu fragen wo der strom dafür herkommt läuft das in die gleiche richtung(der auspuff ist nur weiter entfernt und damit nicht mehr in der eigenen wahrnehmung).

    wir werden die kohle wohl so lange benötigen bis wir gelernt haben ohne sie auszukommen.bis es soweit ist sollten wir die alten kraftwerke zT auch durch neue,effizientere ersetzen.die letzte frage die ich in diesem zusammenhang habe:wie lange gelten die betriebsgenehmigungen für die alten kraftwerke und schneiden wir uns ins eigene fleisch wenn wir den neubau verzögern oder verhindern?

    klaus keller hanau

  • C
    Carmen

    Und nicht zu vergessen: www.mainz-wird-verkohlt.de

  • D
    dondolo

    Selten so viel Blödsinn gelesen. Der einzige realistische Ausweg aus dem Dilemma wäre, Kernkraftwerke zu bauen. Solaranlagen in Deutschland sind totaler Quatsch, wir generieren derzeit ca. 0,3% unseres Stromes aus Photovoltaik, und subventioneren das mit Milliarden über den Strompreis.

     

    Dass die Schweiz keine Kohlekraftwerke baut hat doch einen ganz einfachen Grund: Es ist nicht so einfach, die Kohle in die Schweiz zu schippern. Stattdessen setzen die klugen Eidgenossen eben auf das, was Sinn macht - Wasserkraft und Kernenergie. Die Dänen haben (noch) jede Menge moderner Kohlekraftwerke, da besteht momentan einfach noch kein Ersatzbedarf. Und Schweden ist aus dem Kernenergie-Ausstieg wieder ausgestiegen.

     

    Ach - was solls...

  • F
    FREDERICO

    Geil, einfach nur geil, nur so komme auch ich noch in den Genuss in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren in Restbrandenburg Orangen zu pflücken und mit dem Rad an die Ostsee zu fahren um mich unter Palmen zu aalen.

  • R
    rainbowsailor

    Stoppt diese Wahnsinnswerke! Gründe dafür sind:

     

    Die Klimakatastrophe, die weltweit laut einer Studie von Oxfam - vgl. http://www.oxfam.de - viele Millionen Menschen in immer mehr Armut etc stürzt, muss viel energischer gebremst werden, und könnte es auch.

     

    Zum Beispiel könnten photovoltaische Aufdachsolaranlagen auf weniger als 25% aller Dachflächen in jeder Stadt der Lage und Bauweise wie Osnabrück 100% der Strommenge erzeugen, die alle Privathaushalte im Jahr benötigen, wie im Rahmen des Sun Area Projekts der FH Osnabrück nachgewiesen wurde.

     

    Zudem könnten Solarthermische Kraftwerke auf einer Fläche von ungefähr dem Land Berlin in Ägypten so viel Strom erzeugen wie in ganz Deutschland 'verbraucht' wird (wie Desertec und andere nachgewiesen haben), und zwar fast 24 Stunden täglich.

    -- Solche Projekte sollten zwar aus versch. Gründen nicht mehr als ca. 20% des deutschen Strombedarfs decken, finde ich, aber Kohlkraftwerke könnten sie auf jeden Fall überflüssig machen.

     

    Viele Probebohrungen für Geothermie in den letzten Jahren haben gezeigt, dass in den kommenden Jahren deutschlandweit mehrere GW Energie durch Geothermie erzeugbar wären, sowohl Strom als auch Wärme.

     

    Offshore Wellenkraft in der Nordsee ist immer noch fast ungenutzt, obwohl es dazu schon die Technik gäbe vgl. z. B. http://www.wavedragon.net

     

    Dänemark könnte, bei entsprechendem Ausbau, mit Geothermie und windenergie zusammen viel mehr als den eigenen Energiebedarf decken und daher auch etwas nach Deutschland exportieren.