Schauspielpremiere l : Zur schönen Aussicht
Es gibt tatsächlich heute noch verschiedene Gastronomiebetriebe „Zur schönen Aussicht“. Wenn es sich dort so zuträgt, wie es Ödön von Horvath in seinem gleichnamigen Stück berichtet, kann das nicht lange gut gehen.
Allerdings zeichnet sich das Leben im Kapitalismus (gewiss, anderswo auch, aber dieses Anderswo gibt es ja auch kaum noch) unter anderem dadurch aus, dass zwar lange nicht alles gut, aber dennoch immer weiter geht. Zumindest sieht es ziemlich danach aus. Theaterautoren haben sich gelegentlich daran durchaus zu schaffen gemacht, wie Erich Mühsam, Ernst Toller und ein gewisser Brecht.
Etwas anders gelagert ist die Sache bei Ödön von Horvath, der gesagt hat: „Man wirft mir vor, ich sei zu derb, zu ekelhaft, zu unheimlich, zu zynisch und was es dergleichen noch an soliden, gediegenen Eigenschaften gibt – und man übersieht dabei, dass ich doch kein anderes Bestreben habe, als die Welt so zu schildern, wie sie halt leider ist.“ Fraglos nicht gerade ein Plädoyer für die Welt des Ödön von Horvath. Und vielleicht wäre er auch nicht gerade zu einem glühenden Anhänger jetziger Zustände mutiert.
Was er zum Beispiel in „Zur schönen Aussicht“ erzählt, ist fast so gut „in heute“ vorstellbar wie zur Zeit seiner Entstehung 1926. Das Hotel „Zur schönen Aussicht“ erlebt eine Flaute. Ein einziger Gast hält das Personal in Atem und verzögert den drohenden Ruin: Ada Freifrau von Stetten. Aber nicht die Lage des Hotels verlängert ihren Aufenthalt, vielmehr hat es ihr Hoteldirektor Strasser angetan, der sich seinem einzigen Gast gegenüber in jeder Hinsicht dankbar zeigt. Als die junge Stenotypistin Christine unvermittelt auftaucht und Strasser damit konfrontiert, dass sie nach einer kurzen Affäre ein Kind von ihm hat, bekommt Strasser Angst um seine prekäre Existenz. ASL
Freitag, 20 Uhr, Neues Schauspielhaus