■ Zur Vorstellung der neuen EU-Umweltkommissarin: Es wird schwer werden für sie
Die Erwartungen waren groß, um so größer war auch die Enttäuschung. Die dänische Sozialdemokratin Ritt Bjerregaard, die aller Voraussicht nach in drei Wochen ihr neues Amt als Umweltkommissarin der EU antreten wird, hat sich in Brüssel als wohlmeinende Politikerin vorgestellt, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Für 30.000 Mark im Monat kann man schon ein bißchen Einsatz voraussetzen.
Was die europäische Umweltpolitik angeht, so sind wir bisher nicht gerade verwöhnt worden. Der in Brüssel zur Zeit für die Umwelt zuständige Kommissar Ioannis Paleokrassis hat in den vergangenen Jahren vor allem den Verdacht bestärkt, daß er Umweltschutz für einen Spleen der Deutschen und Dänen hält. Gerade deshalb wurde er auch von Delors auf diesen Posten gesetzt, weil damit sichergestellt war, daß er die Kreise der mehrheitlich recht industriehörigen Kommission nicht durch hartnäckiges Pochen auf bestehende Umweltgesetze stören würde. In diesem Sinn hat der Mann die in ihn gesetzten Erwartungen voll und ganz erfüllt.
Gerade deshalb auch wurde es vor drei Monaten von Umweltverbänden gefeiert, als der frisch gekürte Kommissionspräsident Jacques Santer das Umweltressort der Dänin anvertraute. Dänemark gilt in der Europäischen Union als Land mit dem am stärksten ausgebreiteten und am tiefsten verankerten Umweltbewußtsein. Und darauf kommt es in Brüssel an. Die Umweltkommissarin ist dafür verantwortlich, daß die bestehenden Gesetze eingehalten und neue, bessere auf den Weg gebracht werden. Dafür muß sie sich in erster Linie mit ihren Kollegen anlegen, die für Wirtschaft oder Landwirtschaft zuständig sind und Umweltschutz oft nur als lästig empfinden.
Erschreckend genug, daß Ritt Bjerregaard weder über die Mittel und Wege Bescheid weiß, die ein Kommissar hat, um in Brüssel der Umwelt zu ihrem Recht zu verhelfen, noch daß sie auch nur eine vage Vorstellung zeigt, wie etwa die Klimapolitik der Europäischen Union aussehen sollte. Noch schlimmer ist, daß ihre schwache Vorstellung ganz deutlich auch mit der Angst zu tun hatte, sich festzulegen.
Mag sein, daß sie die Sache nur unterschätzt und sich nicht ausreichend eingearbeitet hat, dann war es vielleicht ein rechtzeitiger Schuß vor den Bug. Sie weiß auch, daß das Europaparlament keinen einzelnen Kommissar zurückweisen kann – und allein wegen ihr die gesamte Kommission abzulehnen, davor werden die Abgeordneten sicher zurückschrecken. Aber sie hat die einmalige Chance verpaßt, das Parlament, das erfahrungsgemäß umweltbewußter denkt als die Kommission und die Mehrheit der Mitgliedsländer, auf eine wirkungsvolle Zusammenarbeit einzuschwören, eine Unterstützung, die sie unbedingt braucht.
Es wird schwer werden für sie. Ihr verheerender Auftritt läßt befürchten, daß sie sich auch nicht die allerkompetenteste Kabinettsmannschaft zusammengesucht hat. Sich ohne Vorbereitung durchzuwursteln verspricht keine schönen Ergebnisse. Die Kosten trägt die Umwelt in der Europäischen Union. Alois Berger
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