■ Zur Rolle der Bündnisgrünen im neuen Kabinett Eichel: Blanke Nerven, leere Kassen
Iris Blaul soll als „Superministerin“ für Jugend, Familie, Gesundheit, Umwelt und Energie den Besitzstand der Bündnisgrünen bewahren – und Ex-Umweltminister Rupert von Plottnitz politisches Neuland betreten dürfen. Das Justizministerium ist das (!) Ministerium für den Advokaten Rupert von Plottnitz, der in den 70er Jahren in Stammheim Mitglieder der RAF verteidigte. Von einem von fanatischen Bundesanwälten der Kollaboration mit Terroristen desavouierten Linksanwalt zum Justizminister eines Bundeslandes: eine durchaus bemerkenswerte Karriere. Das Gewicht der Bündnisgrünen innerhalb der rot-grünen Landesregierung ist also beträchtlich gewachsen. Doch die Bündnisgrünen haben nur das bekommen, was sie verdienen. Mit ihrem Wahlerfolg (11,2 Prozent) haben sie dafür gesorgt, daß die SPD Regierungspartei bleiben konnte. Und Eichel mußte auf dem politischen Markt offenbar auch den Frankfurter „Schweinepreis“ an die Bündnisgrünen entrichten: Schmerzensgeld für die Torpedierung einer funktionierenden rot-grünen Koalition in der interessantesten Großstadt der Republik.
Doch was fängt eine Partei mit dem ihr in den Schoß gefallenen Machtzuwachs an, wenn die Kassen leer sind? Die alte sozialdemokratische Politik der Klientelbefriedigung ist mega-out. Das haben offenbar auch die Unterhändler der SPD konstatiert und deshalb eine Ministerin (Evelies Mayer), die in ihrem Verantwortungsbereich den Status quo erhalten wollte, auf dem Sparaltar der Bündnisgrünen geopfert. Die immer quengelnde Klientel gerade der Grünen wird froh sein müssen, wenn die in den letzten vier Jahren initiierten Reformprojekte nicht von den Sparkommissaren der eigenen Partei zusammengestrichen werden. Nur durch den von den Grünen forcierten Beschluß über den drastischen Abbau von knapp 3.000 Stellen in der Landesverwaltung kann sich die neue/alte Koalition überhaupt noch Spielräume für die politische Gestaltungsarbeit sichern. Auch die MinisterInnen der Bündnisgrünen können sich nur noch durch geschicktes Management der angesagten Mangelverwaltung bei den WählerInnen profilieren. Und bei den ohnehin gebeutelten Sozialdemokraten (Hessen/Frankfurt), die das von den Bündnisgrünen bei den Koalitionsverhandlungen demonstrierte Selbstbewußtsein als Provokation empfanden, liegen die Nerven blank.
Justizminister von Plottnitz allerdings kann schon heute ein „Erfolgserlebnis“ der besonderen Art prognostiziert werden: die Neueröffnung des Supergefängnisses von Weiterstadt – mit einem Hochsicherheitstrakt für Frauen. Klaus-Peter Klingelschmitt
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