Zur Neukonzeption der deutschen Rüstungsexportpolitik: Widersprüche beseitigen
Die Genehmigung zur Lieferung eines deutschen „Leopard II A 5“-Panzers an die Türkei durch den Bundessicherheitsrat hat zu einer heftigen Kontroverse in der Regierungskoalition geführt. Stein des Anstoßes ist, dass die Regierung Schröder bei ihrem Amtsantritt eine zurückhaltendere Handhabung der Genehmigung von Rüstungsexporten angekündigt hatte, die sich deutlich von der Praxis ihrer Vorgängerin unterscheiden sollte. Neben sicherheits- und bündnispolitischen Interessen sollten auch Menschenrechtsfragen und die wirtschaftliche Situation im Empfängerland bei Entscheidungen für oder gegen eine Waffenlieferung berücksichtigt werden. Diese beiden neuen Kriterien wurden im Koalitionsvertrag als Zielvorgabe aufgenommen und stehen im Zentrum der neugefassten Richtlinien für Rüstungsexporte, die heute im Kabinett diskutiert werden.
Die Gegner eines Waffenhandels mit der Türkei fragen nun, wie es unter den neuen Vorgaben zu einer positiven Entscheidung in der Panzerfrage kommen konnte. Die Menschenrechtssituation in der Türkei und die prekäre wirtschaftliche Situation, die sich nach den Erdbeben dieses Jahres noch verschlechtert hat, scheinen Grund genug für eine Ablehnung des Exportgesuchs zu sein – selbst wenn es sich vorerst nur um ein Fahrzeug zu Testzwecken handelt. Die Konflikte zwischen der Türkei und ihren Nachbarstaaten, namentlich Griechenland, Syrien und dem Irak, machen die Region zu einem Spannungsgebiet, in dem die Aufrüstung einzelner Staaten einen Rüstungswettlauf in Gang setzen könnte.
Die deutsche Rüstungsexportpolitik steht an einem Scheideweg. Sie hat neue Kriterien in ihre Entscheidungsgrundlagen eingefügt und befindet sich damit auf dem richtigen Weg. Andererseits hat sie alte Richtlinien beibehalten, die teilweise in offenem Widerspruch zu den neuen Regeln stehen. Dazu zählt im Fall der Türkei die Richtlinie, dass Waffenlieferungen an die Mitgliedsstaaten der Nato grundsätzlich unbeschränkt bleiben.
Will die Bundesregierung zu einer konsistenten Rüstungsexport-Politik kommen, müssen diese Widersprüche beseitigt werden. Der exportkontrollpolitische Rahmen, innerhalb dessen in Deutschland über Waffentransfers entschieden wird, ist bisher von zwei politischen Zielsetzungen geprägt worden: dem Schutz nationaler und internationaler Sicherheit und der Einhaltung bündnispolitischer Verpflichtungen. Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Einhaltung der Menschenrechte sind relativ neue Kriterien, die bisher nur schwach entwickelt sind und bei den Entscheidungen eine dementsprechend untergeordnete Rolle spielen. Das ist, besonders was die Menschenrechtssituation angeht, inakzeptabel. Die Frage ist, ob man den Rahmen in seiner jetzigen Form aufrechterhalten oder ein neues Konzept mit neuen Schwerpunkten entwerfen will.
Das wichtigste Kriterium für die Genehmigung von Waffenexporten sollte die demokratische Verfasstheit des Empfängerlandes sein. Dabei müssen relativ hohe Ansprüche gestellt werden: Ein Land muss nicht nur formale Minimalstandards wie freie Wahlen, allgemeines aktives und passives Wahlrecht, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit erfüllen. Hinzu müssen Rechtsstaatlichkeit und eine unabhängige Justiz kommen. Die Einhaltung der Menschenrechte muss gewährleistet sein. Für Rüstungsexporte ist es darüber hinaus wichtig, dass Militär und Polizeiapparat unter ziviler Kontrolle stehen.
Grundsätzlich wären also Waffenlieferungen an Demokratien zulässig, wenn nicht andere Gründe zwingend gegen eine Lieferung sprechen. So könnte ein Export auch an ein demokratisches Empfängerland aus sicherheits- und bündnispolitischen Gründen abgelehnt werden. Rüstungslieferungen an nichtdemokratische Staaten sollten hingegen in der Regel verweigert werden, wobei auch hier Ausnahmen zulässig wären. Es könnte etwa geliefert werden, wenn es sich um reine Verteidigungssysteme handelt – wobei der Begriff des Verteidigungssystems allerdings sehr eng gefasst werden müsste. Denn die meisten Rüstungsgüter, auch die, die primär defensiv ausgerichtet sind, können auch als Angriffswaffen dienen. Katja Frank
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