■ Zur Geschichte einer gattungsgeschichtlich völlig gescheiterten Bewegung: Rebellische Hausmänner mit und ohne Staubtoleranz
Ich weiß nicht, wie es Ihre Bibliothek hält, aber die hier bei uns in der Provinz verscherbelt andauernd ihre Regalblockierer, eine Schnäppchenaktion in Permanenz. Aus einer etwas matten Neugier kaufte ich neulich für eine Mark einen Titel aus der Sammlung Luchterhand, der 1980 erschienen ist. „Beruf: Hausmann“.
Sogenannte „Protokolle“ hatte eine gewisse Sonja Schwarz-Ahrendt gesammelt. Wer darin worüber sich ausgelassen hatte, läßt sich denken. Ein gewisser Lutz von Werder schrieb das Nachwort und nannte selbiges mutig: „Einige Spekulationen über die Auflösung des Patriarchats“.
Und also hub er an: „Die Themen der Emanzipation wechseln. [...] Jetzt melden sich [...] die Männer zu Wort. Zuerst die Männer, die sich vom Zwang zur gegengeschlechtlichen Liebe befreiten. Neuerdings nun Männer, die die öffentliche Arbeit fliehen und, gattungsgeschichtlich erstaunlich, nach 10.000 Jahren Patriarchat die öffentliche Arbeit wieder aufgeben und an Heim und Herd zurückkehren. Dieser Umstand sollte schon das Nachdenken anregen.“
Hm. Man ist natürlich erleichtert, einen Jargon wie diesen los zu sein, und wundert sich wenig darüber, daß die Aufforderung zum Nachdenken auf eine Leere im Kopf traf, im Kopf des Autors selbst. Denn Herrn von Werders Ertrag am Ende seines kämpferischen Aufsatzes sieht so aus: „Hausmänner besitzen gewisse rebellische Züge. Damit kann eine fortschrittliche Hausmännerpolitik zum Zuge kommen.“ Wo hat der Mann das geschrieben? Im Speisewagen? „Hausmänner ließen sich bestimmt zu Männergruppen zusammenschließen: ohne Frauen und in neuer solidarischer Umgebung.“ Sie könnten sich in einem Abwasch gleich auch noch vom Zwang zur gegengeschlechtlichen Liebe befreien... Das meinten Sie doch, Herr von Werder! „Hausmännerzentren könnten die Hausmänner selbst organisieren. Wahrscheinlich kann die Hausmännerbewegung einer neuen Kritik der Hausarbeit und der Kleinfamilienerziehung Auftrieb geben.“
Statt des Auftriebs nun der Rausschmiß aus dem Bestand der Stadtbücherei. Die 10.000 Jahre Aufenthaltsdauer verpaßten die Protokolle nur knapp, obwohl der zu den Interviewten zählende „Thomas G., 32, Gärtner, 1 Kind“, noch versichert hatte: „Meine Staubtoleranz ist sehr hoch.“ Interessiert hat das niemanden. Binnen acht Jahren wurde das Buch 15mal ausgeliehen, wie die Stempel hinten verraten. Zum letztenmal ausgerechnet am 10. Oktober 1989, keine drei Wochen vor dem Mauerfall. Dieses symptomatische, wenn nicht symbolische Zusammentreffen historischer Ereignisse sollte endlich mal jemand untersuchen. Ich weiß auch schon, wer dazu berufen wäre. Dietrich zur Nedden
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