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■ Zur EinkehrIm Kaufhof

Euthanasie ist keine schöne Sache. Manche Dinge müssen aber einfach aus der Welt geschafft werden. Zum Beispiel ausgelaugte Beziehungen. Das edle Vorhaben der Eheabtötung kann besonders gut im Unterdeck des Kaufhofs realisiert werden. Der unvermeidliche Streit, ob man italienisch, asiatisch, fischoid, gemüslich oder steakistisch essen sollte, wird jede falsche Harmonie sprengen. Die erhabene luzide Weite einer Kaufhauskelleretage wurde hier nämlich schmählich verleugnet, verhöhnt, verspottet durch eine bienenwabenartige Parzellierung in Erlebnisbereiche. Putzig wie im Schnoor tummeln sich Plastikvariationen von Bistro, Pilspub, Weinschenke heiter, unbeschwert und klimatisiert.

Das Wissen von der postmodernen Zersplitterung der Gesellschaft in diverse Lebensstil-Stämme ist also schon bei den Kaufhaushäuptlingen angekommen. Nur gut, daß Lyotard nicht mehr die ästhetische Umsetzung seines Gesellschaftsentwurfs erleben mußte. „Happy birthday-feiern Sie mit“ ruft eine Plakatschöne: Ja gerne, aber mit wem? Sinnentleerte Fröhlichkeitssignale breiten sich schamlos aus. Es herrscht ein seliges Schweben (Luftballons), Ranken (Kunstblumen), Fähnchengeschwenke und Tante-Emma-Laden-Döschen-Gestapele. „Auberginen erleichtern die Zuckerdiät“ erfreut ein Infoplakat. Hier wurde ein Innenausstatter nach der Zahl der eingeschlagenen Nägel bezahlt.

Angefangen hat das ganze Übel im „Heidiland“. Die Schweizer Autobahngaststätte war der Prototyp einer neuen Erlebnisgastronomie des Hauses Mövenpick. Der kritische Konsument durfte beäugen, betatschen (nur heimlich) und dann als autonomes Subjekt seine existentialistische Wahl treffen. „Marche“ war geboren. Im Heidiland konnte man den Blick schweifen lassen von lustig gestreiften Marktstand-Imi-taten zu fachgerecht tranchierten Verkehrsopfern und anthrazitfarben im Abendlicht schimmernden CO2-Wolken. Das Weltdorf im Kaufhof dagegen ist garantiert naturlichtfrei und rolltreppenerreichbar. Genau der richtige Ort für den „Vollwertgarten vegetarisch“. Er ist eine Schulung in der unverzichtbaren Überlebenstechnik „Natürlich leben in Disneyland“. Eine ruhige Hand ist aber Vorraussetzung. In den Kanälen zwischen drei Häufchen von Gemüse und einem Häufchen Kraköetxirckueh (irgendwas Hirseartiges) dümpelt nämlich Currysoßengewässer. Und da ist ein hyperflacher Teller unter deichbautechnischen Gesichtpunkten denkbar ungeeignet zum Transport. Schnell sind die Barhockerbezüge vollgekleckert. Den Tulpen-Derivaten in Stoff hats nicht geschmeckt. Mir schon. bk

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