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■ Zur Dichotomie von Friedensgesprächen und GewaltRabin ratlos

Er werde mit aller Härte gegen die Bewohner der besetzten Gebiete vorgehen – und er werde alles zur Fortführung des Nahostfriedensprozesses tun. Dies ist der Tenor der Erklärungen des israelischen Ministerpräsidenten Rabin, während es im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern täglich mehr Tote und Verletzte gibt. Diese Mischung aus bodenloser Ignoranz und taktischer Klugheit macht Rabin zu einem erfolgreichen Nahostpolitiker. Doch im Moment scheint auch er nicht mehr weiter zu wissen. Anders als sein Vorgänger Schamir, der die Nahostverhandlungen in toto abgelehnt hatte, wollte Rabin Gespräche mit den arabischen Regierungen. Er suchte sie jedoch vom Verlauf des Konfliktes mit den Palästinensern abzuschotten.

Als er im Dezember die Massendeportation von Hamas-Mitgliedern anordnete, verließ er sich darauf, daß diese Entkoppelung bereits weitgehend gelungen ist. Die Anzeichen syrischer Kompromißbereitschaft ließen ihn womöglich hoffen, ein israelisch-syrischer Separatfrieden sei nurmehr eine Frage der Zeit, und die innenpolitisch prekären „Autonomiegespräche“ mit den Palästinensern könne man auf der Agenda der Nahostgespräche getrost nach hinten schieben. Doch hat gerade diese Ambition der israelischen Regierung den bis zum 20. April ausgesetzten Nahostgesprächen längst jede befriedende Wirkung geraubt. Die Immunisierung der Verhandlungen gegen die Lage in den besetzten Gebieten hat den Konflikt mit den Palästinensern in eine neue heiße Phase hineingetrieben, in der nun auch mehr und mehr Israelis ihr Leben lassen.

Rabin hat sich also verrechnet. Die blindwütige Reaktion seiner Regierung auf die zunehmenden palästinensischen Gewalttaten sind ein schlimmer Beleg dafür. Gegen die irreguläre Gewalt der palästinensischen Attentäter ist die reguläre Gewalt der israelischen Armee nicht nur wirkungslos. Sie macht auch mehr Palästinenser zu potentiellen Mördern und stiftet die Legitimation für weitere Attentate auf Israelis. Diese Gewalttaten wiederum rechtfertigen in den Augen der Israelis den massiveren Einsatz des Militärs. Die Rede von der „sich aufschaukelnden Gewalt“ bleibt aber naiv, solange die strukturelle Gewalt des israelischen Siedlungskolonialismus in den besetzten Gebieten nicht als Voraussetzung der blutigen Auseinandersetzungen in Betracht gezogen wird. Die Nahostverhandlungen, so sie noch zu retten sind, müssen sich dieser Wirklichkeit in den besetzten Gebieten annehmen. Dafür sind alle Beteiligten verantwortlich – nicht nur die Palästinenser. Nina Corsten

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