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Zum Zustand der Koalition

■ betr.: anläßlich des Rücktritts von Heide Bischoff-Pflanz

anläßlich des Rücktritts von Heide Bischoff-Pflanz

Eins ist auffällig: Es sind vor allem die Schwächeren AusländerInnen, Frauen, Kinder -, die an diesem Senat scheitern. AusländerInnen: Wo bleibt ihr - ja ohnehin mit vielen Einschränkungen versehenes und nur kommunales Wahlrecht? Frauen: Erst Hilde Schramm, die mit den Geschäftsordnungsritualen des Abgeordnetenhauses nicht zurechtkam, dann Heide Bischoff-Pflanz, die die, wie sie selbst sagte, würdelose Umgangsweise der SPD nicht mehr aushielt, die persönliche Seite also des Terrors der Verweigerung fast sämtlicher fortschrittlicher Politikansätze. Und natürlich die Kita-Frauen und die von ihnen betreuten Kinder, die mit ihren Forderungen beim AL -tolerierten Senat bisher auf Granit stießen.

(...) Schließlich ist auch die AL daran mitschuldig, daß sie die von ihr gestützte beziehungsweise tolerierte Politik selbst zunehmend weniger vertreten kann. Ein Blick in die Geschichte hätte ihr doch zeigen können, welchen Interessen ihre Koalitionspartnerin SPD bisher im Endeffekt gedient hat. Nur einige „Meilensteine“ der Politik dieser Partei seien hier in Erinnerung gerufen: Kriegskredite, blutige Zerschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung, nach 1945 dann Notstandsgesetze, Berufsverbote, Aufrüstung der Polizei, Hochsicherheitstrakte, militärische Verteidigung der Atomanlagen, Raketenstationierung und die immer wiederkehrende „Option“ großer Koalitionen. Ein Wandel dieser Politik des Machterhalts der bürgerlichen Klasse steht wohl kaum an, das hätte der AL klar sein müssen, als sie sich für die Koalition entschied.

Wo blieb und bleibt angesichts dieser Voraussetzungen die Entschlossenheit ihrer Mitglieder, unter Entfachung breitestmöglicher öffentlicher Diskussionen, unter Inanspruchnahme sämtlicher Mittel ihre eigenen gesellschaftlichen und ökologischen Zielvorstellungen zu verbreiten und weiterzuentwickeln, deren Umsetzung offensiv einzufordern und deren Verhinderung durch die SPD in der Öffentlichkeit bekanntzumachen? Und: Wo bleibt die Bereitschaft, eigene Positionen zu radikalisieren (zum Beispiel in der Wohnungsfrage: die Enteignung der Hausbesitzer zu fordern)?

In dem Maße, in dem die AL sich weiter sozialdemokratisiert und so zu einer Sachwalterin von Kapitalinteressen macht (vergleiche die Müllexportpolitik Michaele Schreyers), wird sie nur in einer Hinsicht an Profil gewinnen: als Partei der (immer routinierteren) Ent-TäuscherInnen. Historisch käme ihr - zusammen mit der SPD - dabei auch noch das fragwürdige Verdienst zu, über eine teilweise Integration und somit Spaltung der linken Kräfte vorübergehend für Ruhe in dieser Stadt zu sorgen.

Heinz Eckel

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