■ Zum Wohle!: Rhinozeros
Es ist doch immer dasselbe: Man lauert bis zur letzten Minute, ob nicht doch wer eine Silvester-Party schmeißt, und dann sitzt man letztendlich mit ein paar Luschen am Küchentisch und spielt Doppelkopf bis zum Morgengrauen. Wie im letzten Jahr. An sich fing es ganz lustig an. Ich wurde von ziemlich gutsituierten Bekannten in ein feines Restaurant am Hafen eingeladen. Dafür hatte ich extra die Pumps angezogen, die ich zur Hochzeit meiner Schwester gekauft habe, und sie unterm Tisch ausgezogen. Weil ich sie nicht wieder ankriegte, mußte ich zum Auto getragen werden. Das war insofern gut, weil mir ein bißchen schlecht war. Ich hatte alle Austern, die es als Vorspeise gab, aufgegessen. Die anderen grausten sich davor. Ein Haus in der Toscana haben, aber sonst von nichts eine Ahnung!
Um gut Doppelkopf spielen zu können, muß man einen bedingungslosen Erwerbstrieb besitzen. Ich kann da nicht klagen, deshalb war ich auch die ganze Zeit auf 180, weil die anderen herumalberten und immerzu fragten, was denn noch mal Trumpf sei und wieso es eigentlich „Hochzeit“ heiße, wenn man zwei Kreuzdamen auf der Hand habe. Ich habe natürlich gewonnen, aber die Begeisterung über einen Sieg kann keine hohen Wellen schlagen, wenn der Preis dafür ist, daß man zweimal Blei gießen darf statt nur einmal. Aus den Figuren konnte ich nichts erkennen, was mich nur entfernt an irgendwas erinnerte, aber die anderen behaupteten, es seien Rhinozerosse, und das bedeute „ungebrochener Optimismus für das ganze Jahr“. Purer Blödsinn.
Was ich diesen Silvester mache? Das weiß ich noch nicht. Ich rechne aber fest damit, daß irgendjemand mich zu einer richtigen Party einladen wird.
Fanny Müller
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