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Zum Tod von Alfred HrdlickaBildhauer und Antifaschist

Er war berühmt für seine kompromisslose Haltung in politischen wie künstlerischen Fragen. Der Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka verstarb am Samstag in Wien. Ein Nachruf.

Alfred Hrdlicka: "Ich bin eine Ruine, mein Skelett ist völlig verbaut." Bild: dpa

Wenn ein bekennender Stalinist von der Kirche beauftragt wird, eine Skulptur für eines der wichtigsten Gotteshäuser zu schaffen, muss es sich um einen außergewöhnlichen Menschen handeln. Eines der letzten Werke, das Alfred Hrdlicka fertigstellen konnte, steht im Wiener Stephansdom: ein Bronzerelief der Ordens- und Krankenschwester Restituta Kafka, die vor elf Jahren vom Papst seliggesprochen wurde. Was den Künstler mit der frommen Frau verband, war die Verfolgung durch die Nazis. Sie wurde 1943 guillotiniert, weil sie mit ihrer Regimekritik kein Blatt vor den Mund nahm, er konnte als Jugendlicher den Fängen der braunen Häscher entgehen, blieb aber sein Leben lang geradezu besessen, gegen Faschismus und Diktatur anzukämpfen. Dieses Leben endete am Samstag in Wien.

"Ich scheiß mich nicht an vor dem Haider", sagte er 1999 in einem Interview mit der taz, als er ausgerechnet in Kärnten für die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) kandidierte. Zwar konnte er damals weder den Einzug in den Nationalrat schaffen noch Jörg Haiders Triumph und wenige Monate später dessen Koalition mit der ÖVP verhindern, doch es ging ihm wie meistens darum, ein Zeichen zu setzen. Ein solches hatte er auch 1956 gesetzt, als er nach der blutigen Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes aus der KPÖ austrat. Es gelang ihm zeit seines Lebens, anzuecken, politisch, künstlerisch und auch in seinem Privatleben. Als Schüler des großen Wiener Bildhauers Fritz Wotruba (1907-1975) blieb er dem Gegenständlichen verhaftet. 1967 machte eine "Liga gegen entartete Kunst" gegen ihn mobil, als sein Denkmal für Karl Renner, den ersten Kanzler und Bundespräsidenten der Zweiten Republik, an der Wiener Ringstraße aufgestellt wurde. Doch die meisten seiner Werke schockierten weniger durch die Form, als durch die Aussage.

Als er Ende der 1980er-Jahre mit einem Mahnmal gegen Krieg und Faschismus für den Platz vor der Wiener Albertina beauftragt wurde, wollte sich die ÖVP querlegen. Die monumentalen Stelen aus gequälten Menschenleibern und ein am Boden kniender steinerner Jude, der die Straße wäscht, erschienen den Christdemokraten zu drastisch. Sie wollten das Denkmal lieber an einem weniger exponierten Ort aufgestellt wissen. Doch Hrdlicka wollte sich auf keine Kompromisse einlassen. Ein Komponist schreibe ja seine Symphonien auch nicht, damit diese in einem Hinterzimmer aufgeführt werden. Das Monument musste unter Polizeischutz aufgestellt werden.

Alfred Hrdlicka kam am 27. Februar 1928 in Wien als Sohn eines Kommunisten und Gewerkschaftsfunktionärs zur Welt. Die Mutter betreute in einem Projekt von Anna Freud, Sigmund Freuds Tochter, verhaltensauffällige Kinder. Schon als Fünfjähriger, so erzählte er, habe er mit dem Vater Flugblätter verteilt.

Damals verbot der faschistische Ständestaat die Aktivität linker Parteien. Mit sechs Jahren wurde er anlässlich einer Hausdurchsuchung erstmals von der Polizei verdroschen. Sein älterer Bruder fiel 1943 als Soldat vor dem belagerten Leningrad. Als die Nazis zum letzten Aufgebot die 15-Jährigen einzogen, konnte Hrdlicka untertauchen und das letzte Kriegsjahr mit dem Vater in der Illegalität überleben. Nach dem Krieg absolvierte er zunächst eine zweieinhalbjährige Lehre bei einem Zahntechniker.

Den Beruf sollte er nie ausüben. Denn schon 1946 schrieb er sich an der Akademie der bildenden Künste in Wien ein, wo er bis 1952 bei Albert Paris Gütersloh Malerei lernte. Von 1953 bis 1957 ließ er sich dann an der gleichen Akademie von Fritz Wotruba als Bildhauer ausbilden. 1960 hatte er seine erste Ausstellung. 1964 brachte ihm die 32. Biennale in Venedig, wo er gemeinsam mit Herbert Boeckl Österreich vertreten durfte, den internationalen Durchbruch.

Das Etikett "Unbequemer" trug Hrdlicka mit Stolz und er verabsäumte keine Gelegenheit, sich dessen würdig zu erweisen. Wenn ihm etwas nicht passte, dann wurde er in seiner polternden Art auch schon einmal ausfällig.

Doch auch Konservative konnten nicht umhin, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Denn mit seiner Kunst traf der Wiener den Nerv der Zeit. Die Ära der Heldendenkmäler war vorbei. Jetzt waren Mahnmale angesagt, und dafür war der rabiate Antifaschist der richtige Mann. Der Totentanz im Evangelischen Gemeindezentrum des Berliner Bezirks Plötzensee fällt ebenso in diese Kategorie wie das "Gegendenkmal" vor dem Hamburger Bahnhof Dammtor oder das Benno-Ohnesorg-Relief "Der Tod des Demonstranten" vor der Deutschen Oper in Berlin.

Obwohl überzeugter Marxist, habe er mehr in der Bibel gelesen als im Kapital. Die Auseinandersetzung mit der Religion war deshalb auch eine Konstante im Schaffen des Alfred Hrdlicka. Mit seiner Skulptur des Gekreuzigten, die ihn 1959 bekannt machte, hatte die Kirche noch wenig Freude.

Doch zu seinem 80. Geburtstag wagte es die Leitung des Dommuseums der Wiener Erzdiözese, den Bilderzyklus "Religion, Fleisch und Macht" auszustellen. Ein als besonders schockierend empfundenes Bild, "Leonardos Abendmahl, restauriert von Pasolini" wurde zwar auf Anweisung der Diözesanleitung entfernt, doch mit Hrdlickas teilweise recht deftigen Interpretationen biblischer Themen aus vierzig Jahren konnte die Kirche offenbar etwas anfangen, wie der Begleittext zur Schau deutlich macht. Im Bedeutungsdreieck "Mensch - Sexualität - Gewalt" arbeite der Künstler den zentralen Begriff der Macht des Fleisches heraus: "Nach ihm ist es eine Ursehnsucht des Menschen, Gott als Menschen zu erleben - die Fleischwerdung einer körperlosen, allmächtigen Kraft. Doch die Mächtigen dieser Welt haben Gott und die Religion allzu oft missbraucht und mit ihnen Gewalt und Kriege gerechtfertigt." Selbst dem "marxistischen Verdacht, dass Religionen von irdischer Macht und den Mächtigen getragen werden", widersprach die Ausstellungsleitung nicht.

Dass sich Alfred Hrdlicka, der lange mit Oskar Lafontaine befreundet war, um die Gründung der deutschen Linkspartei verdient gemacht habe, wie er selbst behauptete, blieb von den Protagonisten unwidersprochen. Gregor Gysi und Lafontaine sollen im Jahre 2000 von Hrdlicka bei einem Abendessen in Saarbrücken zusammengebracht worden sein.

Der einst athletische Künstler, der den Stein wie ein Besessener bearbeitet hatte, war in den letzten Jahren zum körperlichen Wrack geworden: "Ich bin eine Ruine, mein Skelett ist völlig verbaut." Unmengen von Wodka, die ihn durch den Tag begleiteten, beschleunigten den Verfall. Von einem Herzinfarkt hat er sich nie zur Gänze erholt. Über den Selbstmord seiner Lebensgefährtin Flora S. versuchte ihm zwar seine letzte Muse, die Künstlerin Angelina Siegmeth, hinwegzuhelfen, doch den Meißel konnte er schon lange nicht mehr schwingen. Am Samstag hat Alfred Hrdlicka in seiner Heimatstadt auch den Zeichenstift abgeben müssen.

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2 Kommentare

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  • T
    taipan

    Man kann Hrdlicka genauso gut einen überzeugten Grossdeutschen nennen, wenn man meint, ihn als überzeugten Stalinisten charakterisieren zu müssen.

    Zitat Hrdlicka:

    "Ich bin ein Großdeutscher, aber kein Nazi, das ist eine ganz einfache Formulierung."

     

    Oder man erkennt darin die bewusste Provokation und stellt ihn richtigerweise als überzeugten Marxisten da.

  • T
    taipan

    Es bestehen unterschiede zwischen einem überzeugten Stalinisten und einem überzeugten Marxisten. Hrdlicka war nie und nimmer ein Stalinist. Er verwendete, wenn überhaupt, das Stalinismuswort um seine Gegner zu ärgern und zu schrecken.

    Mal wieder typisch taz.