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■ Zum Sozialwort der KirchenMerkwürdig christlich

Not lehrt bekanntlich beten. Das gilt nicht nur für Menschen, die sich in der Arbeitslosigkeit an die Angebote der großen Kirchen erinnern. Das gilt genauso für die Kirchen selbst. Denn seit Jahren kämpfen sie mit ihrem Bedeutungsverlust in einer Gesellschaft, die unter CDU/CSU-Führung den Einsatz der Ellenbogen und nicht die Solidarität propagiert. In dieser Not setzen die Kirchen Werbeagenturen und Unternehmensberater ein, um ihr Image und ihre Strukturen zu verbessern. Sie besetzen auch Themen, bei denen sie sich der öffentlichen Aufmerksamkeit bewußt sind: erst Ökologie, nun die gerechte Verteilung von Arbeit und Arbeitslosigkeit.

Die Kirchen verhalten sich damit so, wie sie lange auf Teufel komm raus nicht sein wollten: politisch. Zwar wollen auch die Kirchen ihre Schäfchen in Lohn und Brot halten, weil Arbeitslose zum ohnehin schwindenden Kirchensteueraufkommen nichts beitragen. Und auch die Kirchen als einer der größten Arbeitgeber agieren kaum anders als jetzt von ihnen kritisiert: In der Krise werden Stellen abgebaut und unrentable Einrichtungen geschlossen. Dennoch ist die Hinwendung zu den Arbeitslosen nicht nur Opportunismus: Offensichtlich ist das Vertrauen in staatliche Maßnahmen so erschüttert, daß man die Kirchen zu Hilfe ruft. Und die Gottesmänner und -frauen wollen sich dieser Herausforderung stellen.

Damit allerdings legen sie sich mit alten Verbündeten an: Denn nach langen Jahren der christlichen Einheitsfront ändert sich nun das Verhältnis der Kirchen zur CDU. Beim ersten Entwurf des Sozialwortes jaulten die Christdemokraten auf. Und auch jetzt sei man sich „merkwürdig fremd geworden“, hieß es. Merkwürdig ist das aber nicht bei einer Regierung, die im Zeichen des „C“ den Sozialstaat abbaut. Merkwürdig ist eher, daß die Kirchen nicht das Copyright für den Begriff „christlich“ zurückfordern. Bernhard Pötter

siehe Bericht Seite 22

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