Zum Nato-Einsatz in Mazedonien: Kriselnde Humanität
betr.: „Nato muss Frieden erzwingen“ (Kommentar Erich Rathfelder), taz vom 10. 8. 01, „Rot-Grün wartet auf Nato-Marschbefehl“, „Kanzler springt im Konsens“ u. a., taz vom 18. 8. 01, „Abgeordnete wollen nicht folgen“, taz vom 21. 8. 01
Die Ansicht Erich Rathfelders, ein Frieden in Mazedonien lasse sich durch eine Intervention der Nato herstellen, ist gefährlich naiv. Die Erfahrungen der Bürgerkriege des letzten Jahrzehnts, nicht nur im ehemaligen Jugoslawien, zeigen, dass ein dauerhafter Frieden auf bereits bestehenden Strukturen aufbauen muss, von außen ist nicht viel mehr als eine Unterstützung der Friedensbemühungen möglich.
Die Nato ist im Übrigen – geschaffen und ausgerüstet als Organisation zur kollektiven Verteidigung und nicht zur Friedenssicherung wie etwa die OSZE – nicht für einen solchen Einsatz legitimiert. Dies gilt vor allem aus Sicht der Mazedonier, die die Nato, nicht ganz zu Unrecht, als proalbanisch verdächtigen.
Überhaupt ist die Nato durch ihre Unterstützung der UÇK längst ein Teil des Problems, das sie lösen soll bzw. zu lösen vorgibt. Die zwangsläufige Folge eines solchen „friedenserzwingenden“ Einsatzes wäre die Spaltung Mazedoniens. Die Entwicklung im Kosovo und die entsprechenden Planungen der USA, die eine Veränderung der bestehenden Grenzen vorsehen, machen deutlich, wohin die Reise gehen soll. [...] LENNART F. HEIN, Kiel
Es ist noch gar nicht so lange her, da beschränkte sich der Auftrag der Bundeswehr allein auf die Landesverteidigung der BRD. Doch kaum war die Wiedervereinigung vollzogen, durfte Gesamtdeutschland endlich wieder selbst in die Welt hinausziehen, um Krieg zu spielen, statt sich nur finanziell daran zu beteiligen.
Pardon! Natürlich heißt das im Sinne der neudeutschen Wortverschönerungen nicht mehr Krieg, sondern „friedensschaffende Maßnahmen“. Ein ebenso merkwürdiger Begriff geistert seit geraumer Zeit durch die Medien: die humanitäre Krise. Anscheinend gab es so etwas früher nicht. Doch plötzlich scheint es auf der halben Welt von humanitären Krisen zu wimmeln, dass PolitikerInnen und Militärs ihr philanthropisches Mitgefühl für andere Staaten entdecken, die von dem Joch ihrer Unterdrücker befreit werden müssen. Doch die Bevölkerung der Bundesrepublik scheint nicht so human gesinnt zu sein wie etwa die Menschenfreunde Schröder, Fischer und Scharping. Denn bisher sprach sich stets eine anfängliche Mehrheit gegen Einsätze der Bundeswehr aus, bevor man in die Trickkiste der Public Relations griff, um die BundesbürgerInnen wider besseren Wissens von der Notwendigkeit solcher Einsätze zu überzeugen. Kam so etwas früher aus dem Osten, nannte man es schlicht Propaganda, womit auch dieser Begriff negativ besetzt ist, obwohl er nur das Werben für politische Grundsätze umschreibt.
Doch um welche und wessen Grundsätze handelt es sich eigentlich tatsächlich, wenn eine Bevölkerung durch Lügen (zum Beispiel Hufeisenplan) und Desinformation (zum Beispiel KZ-Vergleiche) zum Krieg überredet werden muss, obwohl sie diesen überhaupt nicht will? Es hat den Anschein, Humanität existiert nur dort, wo sie ein nützliches Mittel zur Verwirklichung machtpolitischer Ziele darstellt. [...] MARCO MÜLLER, Frankfurt/Main
Natürlich birgt ein Nato-Engagement in Mazedonien viele Risiken und es wird mit hoher Sicherheit länger dauern und komplizierter sein als jetzt absehbar. Allen KritikerInnen des Einsatzes von „rechts bis links“ ist allerdings gemeinsam, dass sie nicht ansatzweise eine plausible Alternative benennen können.
Wer – wie die Grünen – eine Politik der aktiven Konfliktprävention will, muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass eine solche Politik nirgendwo in der Welt ohne Risiken zu haben ist. Es gab und gibt in der deutschen Friedensbewegung eine Tradition des Isolationismus (nach dem Motto: „Lasst die Leute in entfernten Weltgegenden sich die Köpfe einschlagen.“), die Berührungspunkte in ganz anderen politischen Lagern findet. Nur das ist nicht die Traditionslinie des Einsatzes für Menschenrechte und Internationale Solidarität.
Es ist eindeutig, dass gehandelt werden muss, und dass ein Nato-Einsatz nur stattfindet, wenn ihn beide Konfliktparteien wollen. Vor diesem Hintergrund zusätzlich ein qualifiziertes UNO-Mandat einzufordern, erscheint mir recht spitzfindig. Und noch ein Letztes: Sollen linke Grüne indirekt die CDU dabei unterstützen, eine Anhebung des Bundeswehretats durchzusetzen?
ROGER PELTZER, Fraktionsvorsitzender B’90/Die Grünen
im Rat der Stadt Kerpen
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