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■ Zum „Fall“ Wilhelm KrelleKein Vorbild

Beim vermeintlichen Skandal um die Ehrenhaftigkeit des Ehrendoktors Wilhelm Krelle an der Humboldt-Universität ist vieles unklar. Vor allem: Was ist überhaupt der Vorwurf, den die Vertreter der Studentenschaft erst erheben und dann wieder zurückziehen? Daß Krelle als junger Offizier von der Wehrmacht an die Waffen-SS abkommandiert wurde und sich dagegen nicht wehrte? Daß er seine militärische Karriere nicht von sich aus offenlegte, als man ihn für den Ehrendoktorhut vorschlug? Wer mit dem Vorwurf „NS- Vergangenheit“ hantiert, sollte wirkliche Beweise haben. Alles, was die Dokumente herzugeben scheinen, ist die unbestrittene Tatsache, daß Krelle bei der Waffen-SS gedient hat. Allein deshalb den Professor, der sich durch sein Wirken als Abwickler der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Feinde gemacht hat, als „SS-Mann“ zu bezeichnen, schmeckt nach akademischer Intrige.

Der eigentliche Skandal liegt woanders: Wieder einmal soll eine deutsche Karriere erst nach 1945 begonnen haben. Denn was vorher war, hat die Humboldt-Universität nicht interessiert. Auch nicht die Meinung des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg, der laut „Enzyklopädie des Holocaust“ die Angehörigen der Waffen-SS durchweg als „Kriminelle“ bezeichnete. Es gibt keine Beweise dafür, daß Krelle an Kriegsverbrechen beteiligt war. Doch es wäre klüger gewesen, seine Vergangenheit vor der Verleihung des Ehrendoktors offen anzusprechen. Dann jedenfalls hätte sich die Humboldt-Universität die Peinlichkeit einer Laudatio erspart, in der der Wehrmachtsoffizer und Kommandant der Waffen-SS öffentlich als „Vorbild für die Jugend“ bezeichnet wurde. Bernhard Pötter

Siehe Bericht Seite 22

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