Zu viel und zu wenig : Wie zu Hause
Die Wohnung stank nach kaltem Rauch und Kunststoffteppich. Die Tür stieß an einen halb leeren Umzugskarton, der seit Monaten dort steht. Im Zug hatte ich an die über dreißig Umzugskartons in meinem Kellerraum gedacht und dass ich diese Kartons ins Internet reinstellen sollte, weil sie den Kellerraum blockieren und den schönen Stuhl verstecken, der vielleicht da steht. Vielleicht habe ich diesen Stuhl aber auch in der vorigen Wohnung vergessen. Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist dieser Stuhl – ein Freischwinger, den ich mal auf der Straße fand – gar nicht besser als die Stühle, die jetzt in meiner Wohnung stehen. Man weiß es aber nicht und würde es erst wissen, wenn man ihn in die Wohnung geholt hätte.
Wenn die Umzugskartons aus dem Kellerraum verschwunden sein würden, könnte ich die zu vielen Sachen aus der Wohnung in den Keller räumen. Es ist nicht schön, wenn im Flur Umzugskartons rumstehen. Ich hab aber noch nie Sachen im Internet verkauft und keine Lust dazu! Vielleicht sollte ich S. um Hilfe bitten. Sie ist so praktisch veranlagt. Ich ging in die Wohnung. In Lübeck hatte mich die Vorstellung meines Berliner Lebens deprimiert. Ich hatte mir mein Zimmer vorgestellt und wie ich so lebe und das doch eher beunruhigend gefunden. In dem gemütlichen, von netten Kindern bevölkerten, gerade frisch renovierten Wohnzimmer meiner Schwester hatte ich an meine blöden Möbel gedacht. Diese von tausend verschiedenen Dingen bevölkerte Tischplatte, an der ich die meiste Zeit meines Lebens verbringe. Das blöde Deckenlicht. Seit langem schon will ich mir eine sachliche dänische Lampe aus den 60er Jahren kaufen und bekomm das nicht gebacken. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und machte den Computer an. Komisch, dass man nur mit geöffnetem Laptop nachdenken kann. Komisch, dass sich alles so anfühlte wie zu Hause.
DETLEF KUHLBRODT