: Zu viel Wald, zu wenig Steuern
Die neue Steuerschätzung reißt ein Milliarden-Loch in Niedersachsens Kassen. Finanzminister Hartmut Möllring hat bereits Giftlisten in den Ministerien geordert. Ministerpräsident Christian Wulff wiederholt einen alten Vorschlag Hans Eichels
Aus HANNOVER Kai Schöneberg
Was gerade auf europäischer Ebene scheitert, will Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in Deutschland einführen: „Einen nationalen Stabilitätspakt in Form eines Staatsvertrags zwischen Bund und Ländern“, forderte er gestern. Wenig später gab die Regierung bekannt, dass laut Steuerschätzung in Niedersachsen in diesem Jahr zusätzliche 245 Millionen Euro, im nächsten gar 996 Millionen fehlen. Das Haushaltsloch wächst allein 2004 auf 1,9 Milliarden Euro an. Wie noch am Ziel festhalten, 350 Millionen Euro weniger Kredite aufzunehmen?
Mehr als die geplanten 2,5 Milliarden neuen Miesen seien 2004 nicht drin, so Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). Er wolle den Haushalt „am untersten Limit fahren“. Genaueres stehe erst nach der Kabinettsklausur im Juni fest. Intern murren seine CDU-Kollegen bereits: Lutz Stratmann (Wissenschaft), Uwe Schünemann (Inneres) und Bernd Busemann (Kultus) wollen nichts mehr hergeben. Deshalb hat Möllring bereits aus allen Ressorts Giftlisten mit den rechtlich nicht verbindlichen Zahlungen des Landes „zur Prüfung“ geordert. Sämtliche „freiwilligen“ Zuschüsse an Vereine oder auch an die Hochschulen stehen so zur Disposition.
„So ehrgeizig ist Möllrings Konsolidierungskurs nun auch nicht“, sagt Stefan Homburg, Wirtschaftsprofessor an der Uni Hannover. Immerhin wolle das Land ja „nur“ das Ziel erreichen, bis 2008 keinen verfassungswidrigen Haushalt mehr vorzulegen, betont Homburg, der neben Wulff auch Bundeskanzler Schröder berät. Es gebe noch große Sparpotenziale: Nach den Beamten sollten auch die Angestellten und Arbeiter des Landes weniger Weihnachts- und gar kein Urlaubsgeld mehr erhalten, fordert Homburg. Außerdem besitze das Land „immer noch riesige Waldbestände. Ich habe noch nie gehört, dass sie sich davon trennen wollen.“ Wulffs „Stabilitätspakt“ begrüßt Homburg: „Das ist die einzige Möglichkeit, wie Deutschland international bestehen kann.“
Wulff hatte eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gefordert, die Neuverschuldung auf das verfassungsgemäße Maß, also unter die Ausgaben für Investitionen, zu senken. Auch Strafen bei Verstößen solle es geben – wie in der EU.
Eigentlich erfüllt Wulff damit einen alten Wunsch von Hans Eichel. Hintergrund: Allein der Bund haftet derzeit bei den drakonischen Strafen an die EU, falls die Neuverschuldung weiter höher als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sein sollte. Allerdings fließen rund zur Hälfte die Schulden der Länder und Kommunen in die Zahl ein. Auch Homburg hatte schon vor Jahren gefordert, dass sich die Länder an dem Kriterium je nach ihrem BIP-Anteil halten sollten. Dennoch lehnte Eichel das Angebot aus Hannover gestern ab. „Das klingt zwar honorig“, sagte sein Sprecher. Erst mal solle der Bundesrat aber den Subventionsabbau nicht weiter blockieren.