: Zu viel Sympathy for the Devil
■ Evangelische Kirche warnt vor Okkultismus
Wer gewöhnlich wie ein Toter schläft, an trüben Morgenden zu lange in den Kaffeesatz starrt oder teuflisches Vegnügen am Kartenlegen hat, sollte sich vorsehen. Denn Todesschlaf, Kaffeesatz-Lesen, Kartenlegen, Pendeln oder Gläserrücken gehören ebenso zu den Merkmalen der okkulten Szene in Bremen wie Friedhofs-Parties oder Satansmessen. Das jedenfalls behauptet der Sektenbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche, Helmut Langel. Im dritten Band der Broschürenreihe „Destruktive Kulte in Bremen“ hat er die „sehr aktive“ Bremer Szene unter die Lupe genommen.
Anders als bei den ersten beiden Broschüren über Scientology und Transzendentale Meditation hat Langel in der okkulten Szene keine straffe Hierarchie ausmachen können. Vor allem unter Jugendlichen gebe es aber eine starke Faszination durch Geheimreligionen: In kleinen Kreisen, die oft von Erwachsenen angeführt werden, treffen sich SchülerInnen, lassen Gläser wandern, reden mit den Geistern Verstorbener oder stehlen „mehr als Mutprobe“ Urnen oder Asche von Friedhöfen. Selbst bei seinen eigenen Schäfchen hat Langel den Ockult-Virus festgestellt. „40 Prozent aus meiner Konfirmandengruppe gaben an, schon einmal okkulte Praktiken mitgemacht zu haben.“
Auslöser sind nach Langel vor allem Neugierde und ein „religiöses Vakuum bei Jugendlichen. Fragen zur Religion werden weder von den Eltern, noch vom Religionsunterricht der Schule beantwortet.“ Erstaunt war der Pastor über die Unwissenheit der jugendlichen Okkultisten, die mit den Symbolen aller möglicher Religionen hantieren, ohne es zu wissen. In der Broschüre zitiert Langel eine Schülerin mit der Aussage: „Man kann doch an Gott glauben und an Satan. Oder geht das nicht?“ Da sträuben sich dem Theologen die Haare.
Was ist so schlimm daran, an Satan zu glauben? Für Langel vor allem die Gefahr, „das Pendel statt des eigenen Verstandes zu gebrauchen“ und sein Leben nach dunklen Weissagungen einzurichten. menschen mit psychischen Problemen könnten in „eine Art von psychischer Abhängigkeit“ geraten und bei quacksalbernden Okkultismus-Therapeuten Schaden nehmen. Schließlich beobachte er „Angst und Panik“ als durchgehende Begleitmusik in der okkulten Szene.
Daß der Teufel nicht nur im Pendel, sondern auch in der Kirchengeschichte steckt, gibt Langel zu: „Viele Vorstellungen der Jugendlichen von Satan ähneln sehr einem Bild von Gott als dem rächenden und strafenden Vater“, das heute noch in fundamentalistischen Kirchen gelehrt wird und auch in der offiziellen Kirchen noch gar nicht so lange her ist. Nicht von ungefähr kommen auch die Kontakte von Teilen der okkulten Gemeinde zur rechten Szene, die sich „teilweise aus diesem Gedankengut bedient“. Folgerichtig hat der Sektenbeauftrage „schon seit Jahren“ einige christlich-fundamentalistische Gemeinden im Visir. bpo
Die Broschüre „Okkultismus“ gibt es in einer Auflage von 7.500 gegen 1 Mark bei den evangelischen Gemeindebüros und im Haus der Kirche.
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