Zu gut gebrüllt, Löwen

■ Jugendclub des Bremer Theaters spielt Troilus und Cressida von Shakespeare

Warum er dieses brüchige, „schwierige“ Stück für seine jungen DarstellerInnen ausgesucht hat, SchülerInnen zwischen 17 und 19 Jahren? Gerade wegen des Hin-und Hers, der blitzschnellen Schwankungen, sagt Benno Ifland, Schauspieler des Krämer-Ensembles, der das Stück, zusammen mit der Dramaturgin Brigitte Maier, erarbeitet hat. Das Agieren aus ganz viel Kraft aber noch ohne Eindeutigkeit, diese Jungen, sagt der Regisseur, bringen das mit, die haben, was man sich nicht erspielen kann. Bei denen wisse man bei den Proben oft nicht, wie alt sie jetzt gerade seien, das kippe immer wieder um. Und die Cressida im Stück, die trojanische Priesterstochter, die nach der ersten Liebesnacht von Troilus getrennt wird und - für einen der belagernden Griechen ausgetauscht und Gegenstand der geballten Männlichkeit der Griechen wird, die seit Jahren Troja nicht erobern können

diese Cressida ist „mal ein ganz junger Hund, mal eine sehr bewußte Helene.“ Troilus, zu Beginn einer, der vor Sehnsucht nicht mehr kämpfen mag, wandelt sich, als er Cressida im Griechenlager ihre Liebe verraten sieht, in einen Berserker. Ifland hat mit der Jugend der Darsteller arbeiten wollen, mit dem Schwanken der Energie, bevor diese in eine eindeutige Richtung gelenkt ist, hier durch den Krieg (vor Troja) etwas, das in Kubricks Vietnamfilm Full Metal Jacket als gelungene Zurichtung zu sehen ist. Alle DarstellerInnen stehen zu Beginn auf einer weit ins Publikum hineingezogenen Rampe, nebeneinander wie in der Disco oder bei militärischer Übung, bewegen sich zu einer martialischen Musik aus Full Metal Jacket, je für sich, in Tanzkampf oder Kampftanz. Ein guter Anfang.

Wenn sich das auflöst und die ersten Sätze herausgestoßen werden, merkt man, da geht was

schief. Ifland hat das Stück extrem zusammengestrichen, er hat es sprechblasenkurz, atemlos schnell, mit pausenloser action und brutal laut inszeniert. Allein der drahtig -schmächtige Troilus von Christof Backes hat inmitten all der schreienden Athleten eine so verzweifelte Kühnheit in der Annäherung an die Cressida, etwas so Tränenverbeißendes in der großen Wut später, das eine das anrührt. Aber sonst: Ich weiß nicht, ob der Regisseur der Sehnsucht seiner Darsteller nach der großen Randale auf den Leim gegangen ist oder die seinem Versuch, Intensität durch auf die Spitzetreiben von Tempo und Action zu erreichen. Vom Konzept des großen Schwankens war wenig zu sehen. Nur sehr selten sprang mal „ein junger Hund“ auf die Rampe, meistens waren es Krieg spielende Schüler.

Anders war das in dem Kampf Hektors gegen Ajax, wo die Jungen sich wirklich aus der Nähe ans

Fell gingen, wo auch der erotische, der feierlich-rituelle Charakter des Ring-Tanzes-Kampfes zu sehen war. Waren die Männerrollen aber immerhin noch so angelegt, daß sie, im Guten wie im Schlechten, nutzten, was ihre Darsteller mitbrachten, so wurden die Frauen, v.a. Cassandra (Katrin Rüßmeyer) und Cressida (Bea Jugert) in Posen gesteckt, die einfach nicht die ihren waren, sondern das, was sich jemand für sie ausgedacht hatte. Cressida muß da als langbeiniges model miniberockt animativ an der Rampe hin- und herstöckeln und tut das derartig geniert „wie im Theater“ die Frau aals Opfer vom Dienst in diesem Kriegsstück, Opfer auch der Regie. Nach einem aggressiven Körpertaumel mit schönen Comic-, Slapstick- und Akrobatikteilen, in denen alle Darstellerinnen ihr Letztes geben, „einsetzen“, taumelt man in eine immer noch helle Nacht - voll bedröhnt.

Uta Stolle