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Zu früh gefreut

■ Betr.: "Arbeitslosenhilfe trotz reicher Eltern", taz vom 8.2.92

betr.: „Arbeitslosenhilfe trotz reicher Eltern“, taz vom 8.2.92

Mit der Abschaffung des Paragraphen 137.1a ist tatsächlich eine Schweinerei, die seitens der Arbeitsloseninitiativen von vornherein als rechtswidrig eingestuft wurde, aus der Welt. Die Welt ist damit aber nicht wieder in Ordnung, wie der Artikel im Ganzen den Anschein erweckt. Der „Segen“ für Arbeitslose mit „reichen“ Eltern ist verglichen mit den momentanen Planungen des Bundesarbeitsministeriums für alle Arbeitslosen sehr gering. Die Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes, die ab April 1992 Gesetzeskraft haben soll, sieht folgende einschneidenden Veränderungen für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe vor:

—Das Schonvermögen Alleinstehender soll von derzeit 8.000 DM auf 2.500 DM gekürzt werden. Vor Bezug von ALHI muß also jedes Vermögen über 2.500 DM aufgebraucht werden.

—„Als Einkommen gelten auch Einnahmen, die der Arbeitslose nur deshalb nicht hat, weil er seine Fähigkeiten und zumutbaren Möglichkeiten zum Erwerb von Einnahmen nicht nutzt.“ Das heißt, jedem, der ALHI bezieht, könnten pauschal 480 DM abgezogen werden, weil jedem ein 480-DM-Job zugemutet werden kann.

—Wenn ein Empfänger von ALHI in einer sogenannten Wirtschaftsgemeinschaft wohnt (wenn Bewohner einer WG Geschäfte mit Wirkung für die Mitbewohner erledigen dürfen), werden das Vermögen und Einkommen der Mitbewohner angerechnet. Im Gegensatz zum Sozialrecht bei eheähnlichen Gemeinschaften soll die Beweislast, daß man nicht in einer Wirtschaftsgemeinschaft wohnt, auf seiten des ALHI-Empfängers liegen.

Die Entwicklung im Arbeitslosenrecht wird also keinesfalls gerechter; im Gegenteil! Bei allen Einschränkungen darf auch nie vergessen werden, daß ALHI eine Versicherungsleistung ist, für die jeder vorher einzahlen muß. Eine Hausratversicherung überprüft vor Zahlungen ja auch nicht das Vermögen, die Arbeitswilligkeit und die Mitbewohner und macht sie davon abhängig. Nik Mählmann, Hamburg

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