■ Zu den Spekulationen über Kellys und Bastians Tod: Trauer und Tragik
Der Tod von Petra Kelly und Gert Bastian läßt „viele Fragen offen“: so eine Überschrift in dieser Zeitung, so oder in anderen Versionen („quälend offen“, „quälende Fragen“) auch überall dort zu lesen, wo das Papier der Aufklärung und nicht deren Gegenteil dienen soll. Daß das gemeinsame Ende tragisch sei, scheint ebenfalls unumstritten, und diese hilflos verwandte Vokabel legt also nahe, daß man nach dem Grund des Verhängnisses sucht, der den Verlauf diktierte. Die Trauer schließt ab, die Tragik verlangt nach Erzählung. Folglich nehmen die Spekulationen über die Provinienz des Tragischen von Stund' an ihren Verlauf, und es gibt ja auch Minenfelder genug, auf denen man suchen kann: ihr Verhältnis zur Partei (welche die beiden allein ließ, entwürdigend behandelte, erschreckend isolierte), ihr Verhältnis zur Politik (in der vor allem Petra Kelly Authentizität verkörperte, Unbedingtheit, Moralität, nicht zu vergessen Betroffenheit), ihr Verhältnis zur Welt (deren Last sie sich zumuteten), ihr Verhältnis zu den Mitmenschen und -streitern (das in der taz veröffentlichte Foto von Petra Kelly bei einem Honecker-Besuch gemeinsam mit Otto Schily und IM Dirk Schneider ist hier offensichtlich aufschlußreich), ihr Verhältnis zueinander. Die Vermutungen reichen von rein persönlich begründeten Konflikten über die Karen-Silkwood-Hypothese, die Nazi-Ermordungs-These bis zum Verdacht der Stasi-Mitarbeit Gert Bastians, und es gibt auch prominente Stimmen der DDR-Opposition, die ihren Unglauben an einen Selbstmord abenteuerlicherweise damit begründen, schließlich habe es für Kelly und Bastian „allen Grund, zu leben“ gegeben und vor allem keinen, nicht mehr an andere zu denken: „...da sie sich ihrer großen Bedeutung für die Friedens- und Umweltbewegung durchaus bewußt waren, können wir uns nicht vorstellen, daß sie uns ohne politische Botschaft verlassen haben.“
Fraglos ist „der Fall“ noch nicht abgeschlossen, nicht einmal die Untersuchung der Todesursache. Vielleicht werden Katja Havemann, Bärbel Bohley und andere damit leben müssen, daß die Toten ihrer nicht einmal mit Nachsicht gedachten. Es ist wünschenswert, aber nicht erwartbar, daß die weltweit Verlassenen die öffentlichen Spekulationen über die intimen Ingredienzien der Tragik zurückbehalten, bis sich vielleicht deren Überflüssigkeit erweist. Bert Brecht hatte sich für seinen Grabstein einen Satz gewünscht, der jedes Äsen im Gewesenen zurückweist und die Verantwortung zurückgibt an die Lebenden: „Er hat Vorschläge gemacht.“ Elke Schmitter
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