■ Zorn auf Bischof, der schwule Pfaffen weihen will: Ketzer gehören vors Kirchengericht
Dublin (taz) – Bischöfe, die schwule Pfarrer ordinieren, gehören vor das Kirchengericht. Das verlangten vorgestern zwei Mitglieder von „Reform“, einer erzkonservativen Gruppe innerhalb der protestantischen Kirche von England. Der Zorn der beiden Geistlichen David Holloway und Philip Hacking richtet sich gegen den Bischof von Southwark, Robert Williamson. Der hatte am Vortag in einem Radiointerview gesagt, daß er Homosexuelle zu Priestern weihen würde, wenn sie in festen Beziehungen lebten. „Die Sexualität eines Menschen ist Privatsache“, fügte er hinzu.
Das findet David Holloway überhaupt nicht. Er hält Williamson für einen Ketzer. „Es liegt in der Natur der Ketzerei, daß sie der Lehre der Bibel und der Kirche widerspricht“, sagte er. „Leute, die so reden wie Williamson, sollten angeklagt werden.“ Aufgabe eines Bischofs sei es schließlich, alle „irrtümlichen und merkwürdigen Ansichten zu verbannen und auszulöschen“.
Philip Hacking will dem ketzerischen Bischof zwar auch den Prozeß machen, aber er meint, daß Williamson ohnehin in der Hölle schmoren werde, weil Gott „über alle Sünden richtet, seien es die versteckten Sünden des Stolzes und der Heuchelei oder die offenen Sünden der Unmoral – sowohl homosexueller als auch heterosexueller Natur“. Die Gruppe „Reform“, die über beträchtlichen Einfluß in der Kirche verfügt, hat die ihr angehörenden Gemeinden aufgefordert, keine Abgaben mehr an die Kirche von England zu zahlen. Damit will man gegen mißliebige Entscheidungen protestieren – unter anderem gegen die Ordination von Frauen.
Der Streit um schwule Pfaffen tobt bereits seit 1987, als die Kirchensynode eine Erklärung verabschiedete, wonach homosexuelle Beziehungen „nicht das christliche Ideal erfüllen und Reue erfordern“. Vier Jahre später erlaubten die anglikanischen Bischöfe zwar „homosexuelle Liebe“, schlossen aber Geistliche ausdrücklich davon aus. Die Schwulen-Organisation „OutRage“ outete deshalb auf der Synode im vergangenen Herbst zehn Bischöfe, fünf weitere Namen hielt man vorerst zurück.
Zwei davon sind inzwischen mehr oder weniger freiwillig an die Öffentlichkeit getreten: Der 73jährige Derek Rawcliffe aus Glasgow sagte Anfang des Monats, er habe nach dem Tod seiner Frau festgestellt, daß seine „Homosexualität auch nach zehnjähriger Ehe nicht verschwunden“ sei. Und am vergangenen Wochenende erklärte der Bischof von London, David Hope, daß er „sexuell nicht festgelegt, aber enthaltsam“ sei. Hope warf „OutRage“ vor, ihn zu der Aussage erpreßt zu haben. Deren Vorsitzender Peter Tatchell war erstaunt. „Wenn wir ihm drohen wollten, dann hätten wir das deutlich gemacht“, sagte er. „Außerdem wissen wir eine Menge über David Hope, das wir bisher noch nicht enthüllt haben.“
Gemäßigtere Schwulen- und Lesbenorganisationen, wie das „Lesbian and Gay Christian Movement“, schütteln offiziell zwar entrüstet den Kopf über die „OutRage“-Taktik, aber hinter vorgehaltener Hand geben sie zu, daß ihnen die Aktionen ebenfalls zugute kommen. Bisher sei man von der Kirchenleitung ignoriert worden, sagt Pfarrer Richard Kirker, der Generalsekretär. Das änderte sich, als das „Zwangsouting“ begann. „Plötzlich haben sie viel mehr Interesse an uns“, sagt er. „OutRage sind jetzt die Extremisten, und wir sind der akzeptable Flügel der Schwulen- und Lesbenbewegung.“ Vor zehn Tagen räumte Kardinal Basil Hume sogar ein, daß „Liebe zwischen zwei Personen respektiert werden müsse“ – egal welchen Geschlechts. Aber es darf kein Sex dabei im Spiel sein. Ralf Sotscheck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen