piwik no script img

■ Zoo: Hauptstadtflair statt Wärmeräume?„Obdachlose werden wie Dreck behandelt“

Peter Tesch, 44 Jahre, Maurer

Der ganze Umbau ist Blödsinn und wurde nur gemacht, um die Obdachlosen hier wegzukriegen. Ich finde es eine Unverschämtheit, wie hier teilweise mit den Leuten umgesprungen wird. Die werden von den Ordnungskräften in einem Ton angefahren, als wären sie der letzte Dreck. Der Zoo war der einzige Ort, an dem sie sich wenigstens ein bißchen aufwärmen konnten.

Torsten Kuhnert, 36 Jahre, „Platte“-Verkäufer

Wenn es so weitergeht, werden wir wie letztes Jahr wieder 19 Kältetote haben, weil es den Leuten noch nicht mal möglich gemacht wird, sich für ein paar Stunden aufzuwärmen. Wenn die Wärmestuben um 4 Uhr zumachen, muß man jetzt drei bis vier Stunden rumlaufen. Ich wurde hier schon oft rausgeschmissen, weil ich mich beim Zeitungsverkaufen mal kurz aufwärmen wollte.

Ingrid Kapst, 57 Jahre, Lehrerin

Ich finde das jetzt sehr schön hier. Man muß nicht mehr so viel Angst haben, wenn man hier durchläuft und an diesen Chaoten vorbeigeht. Ich fand das erschreckend, wie das früher hier aussah. Eine Hauptstadt wie Berlin muß einfach einen sauberen Bahnhof haben, das ist unser Aushängeschild. So finde ich den Zoo jedenfalls angenehm. Für die Obdachlosen muß man eine andere Lösung finden.

Wolfgang Schmidt, 41 Jahre, Imbißbudenbesitzer

Der Umbau hat für uns hier unten auf dem U-Bahnsteig die Folge, daß viele Kunden wegbleiben. Die kommen erst gar nicht mehr hier runter, obwohl wir preiswerter sind als die Läden oben. Für die Obdachlosen ist das alles sehr schlimm. Viele von ihnen sind Stammkunden von uns. Hier kriegt jeder was zu essen, auch wenn er kein Geld hat. Wir lassen keinen mit Hunger wieder gehen.

Hardy Winsky, 46 Jahre, Grafiker

Der vorherige Zustand hat mir weiß Gott auch nicht behagt, aber wenn man die ganzen sozialen Nachteile bedenkt, finde ich den Umbau schon gar nicht mehr gut. Daß was geschehen mußte, war klar, der Bahnhof Zoo war eine Schmuddelecke. Aber das hier finde ich zu aufgemotzt. Man hätte Wärmeräume für die Obdachlosen schaffen können. Jetzt werden sie vom Kommerz einfach verdrängt.

Ingrid, 38 Jahre, obdachlos

Der Bahnhof sieht zwar jetzt schick aus, es mußte ja auch was passieren. Aber ich finde es traurig, daß wir Obdachlosen nicht mehr im Bahnhof schlafen können. Die meisten von uns haben ja keine andere Unterkunft. In Berlin wird überhaupt nichts für Obdachlose getan. In Paris werden die U- Bahnhöfe extra für die Clochards beheizt – bei uns werden die Obdachlosen weggejagt.

Umfrage: Tanja Hamilton

Fotos: Wolfgang Borrs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen