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Zombys "Dedication"Hingabe auf dem Dancefloor

Hymnenhafte Akkorde, darüber ein verrauschter Dauerloop, der die Euphorie einer durchtanzten Nacht beschwört: So klingt Zombys zweites Album "Dedication".

Fotografieren lässt sich Zomby nur mit bedeckten Gesicht. Bild: screenshot Youtube

Manchmal gibt es Momente, in denen Pop wie ein Vorschein der Dinge wirkt, die da kommen werden. Irgendwo im gut geschmierten Getriebe aus Underground-Hype, Promotion und Hooklines taucht ein Detail auf, das stört. Nicht nur weil es nicht recht in die Erzählungen, die Musikjournalisten sich gerne zurechtlegen, passen will. Sondern auch weil seine Bedeutung sich erst in der Rückschau erschließt. Der britische Dance-Producer Zomby ist so ein Fall.

Vor drei Jahren veröffentlichte er seine ersten Maxis. Auf ihnen hörte man alte Computerspielsounds, die in den unübersichtlich modulierten Sequenzen ihre Niedlichkeit verlieren, oder Beats mit der Dringlichkeit von Grime, aber ohne ihre Wuchtigkeit - fast als hätte ein 20-jähriger Rachmaninoff Etüden für den Dancefloor der Nullerjahre komponiert.

Kurz darauf erschien sein Debütalbum "Where were you in 92?", eine Pastiche aus Jungle und Hardcore, die ihre Historizität offen ausstellte. Schnell war das Raunen in den Foren, Blogs und Twitter-Streams der Bassmusik-Connaisseure groß. Würde hier jemand das ewige Versprechen britischer Clubmusik auf eine Ahnung von Zukunft erneuern, nachdem Dubstep in die Sackgasse des kumpeligen Wobblebasses geraten war?

Die Antwort darauf blieb Zomby schuldig. Stattdessen zog er sich zurück, erschien nicht zu seinen Gigs und verweigerte Interviews. Wie Burial, der andere große Auteur britischer Bassmusik, verschwindet er in der Anonymität - bis heute.

Auf Fotos verdeckt er sein Gesicht. Seine Kleidung kennt man von den Bildern der CCTV-Kameras, die gerade von Großbritannien aus um die Welt gingen: Trainingshose, T-Shirt mit Markenlogo, Sneakers, Goldkette. Zomby könnte einer von ihnen sein.

Bild: taz

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Im Zombie-Randalierer spiegelt sich der Produzenten-Zombie wieder, beide eint der Verzicht auf das Spiel mit Zeichen, das die britischen Jugendkulturen im 20. Jahrhundert perfektioniert haben. Und eine Ahnung, dass man den Anschluss verpassen wird, wenn man nicht schnell Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Mehrere hundert Tracks hat Zomby in den vergangenen Jahren an seinem Macbook produziert, es ist eine Reaktion auf die britischen Klassenunterschiede. In einem seiner seltenen Interviews erzählt er, wie er sich als Teenager die teuren Sampler nicht leisten konnte und im Studio der Musikhochschule keine Dancemusic produzieren durfte. Konsequenz: Er bricht sein Studium ab und geht in die Anonymität, um ohne Ablenkung produzieren zu können.

Naives Spiel mit technischen Möglichkeiten

Sein neues Lebenszeichen ist 13 Stücke lang, er hat es mit "Dedication" überschrieben. "Hingabe", das passt gut zu Zombys Musik, die trotz der Unterschiede im Sounddesign die drogeninduzierte Paranoia und Emotionalität früher Dubstep-Releases nie verloren hat.

Anders als die Schar der Post-Dubstep-Producer, funktionieren seine Tracks nicht durch den stilsicheren Zugriff aufs Archiv, sondern durch ein fast naives Spiel mit technischen Möglichkeiten. Was im Umkehrschluss die Frage aufwirft, ob hier jemand nicht doch ein zeitgenössisches Update des authentischen Arbeiterkindes als Markenkern des unternehmerischen Selbst perfekt inszeniert.

Zombys Demontage seines frühen Ruhms könnte wie ein Masterplan wirken, erführe man jetzt nicht doch noch allzu Privates über ihn. Die verpassten Auftritte entschuldigt er mit seinem exzessiven Drogenkonsum in den langen Nächten am Laptop. Und der Zerfall, von dem Gastsänger Panda Bear auf "Things fall apart" erzählt, ist in erster Linie biografisch.

Zombys Vater starb während der Aufnahmen zu "Dedication", es ist nicht die einzige Vorstellung von Verlust auf dieser Platte. "Natalias Song" beginnt mit einer Folge von in Hall getränkten, hymnenhaften Akkorden, über denen ein verrauschtes Gesangssample im Dauerloop die euphorischen Momente einer durchtanzten Nacht beschwört.

"Dedication" ist Ausdruck einer Trauer um das Versprechen von Glück durch Dancemusic, das niemals eingelöst wird. Und nur der Glaube daran unterscheidet ihn von den Jugendlichen, deren Outfit er trägt.

Zomby: „Dedication“ (4AD)

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