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taz FUTURZWEI

Zerstörung von Florenz Melonis Mann

Ein Deutscher auf dem Ticket von Rechtsradikalen kandidiert als Bürgermeister von Florenz. Eike Schmidt könnte die Stadt erobern, die seit Jahrzehnten von der Linken regiert wird. Was ist da los?

Keine Berührungsängste mit (italienischen) Faschisten: Der deutsche Kunsthistoriker Eike Schmidt Foto: Foto: Luca Bruno/dpa

taz FUTURZWEI | Eike Schmidt ist deutscher und seit einem Jahr auch italienischer Staatsbürger. Von 2015 bis 2023 war er Direktor der Uffizien, der erste nicht-florentinische und der erste ausländische des meistbesuchten Kunstmuseums Italiens seit seiner Gründung 1581. Nun kandidiert für das Amt des Bürgermeisters von Florenz – auf dem Ticket von Giorgia Melonis rechtsradikaler Koalition aus Salvinis Lega Nord, Berlusconis Forza Italia und Melonis Fratelli d'Italia. Gewählt wird Anfang Juni.

Ein Deutscher auf dem Ticket von Rechtsradikalen mit Erfolgsaussichten in einer Stadt, die seit Jahrzehnten von der Linken regiert wird – was ist da los?

Zum einen: Der sozialdemokratische Amtsinhaber darf nach zwei Wahlperioden nicht mehr antreten. Zweitens: Die mitte-links-Parteien können sich nicht auf eine Kandidatin einigen. Drittens: Schmidt, 56, war als Museumsdirektor erfolgreich. Er hat den Uffizien durch kluges Management und trotz Millionen Besuchern, eine neue Gestalt gegeben, die ihrer historischen Bedeutung angemessen ist. Heute sind 25 Prozent der Besucher unter 25 Jahren, das ist keine Selbstverständlichkeit. Er hat im vergangenen Jahr 60 Millionen Euro an Eintrittsgeldern eingenommen. Mit 30 Millionen sind die Kosten des Museums gedeckt, also hat er 30 Millionen für die weitere Entwicklung des Museums erwirtschaftet. Er hat die Bilder entlang ihrer Entstehung neu gehängt und die Highlights unter den Bildern technisch vor dem Schweiß der Besucher, wie vor den Klebeversuchen von Klimaaktivisten in Sicherheit gebracht. Er hat mit Lichteffekten die hirnlose Selfie-Obsession der Eventtouristen aus aller Welt technisch unmöglich gemacht. Er hat die individuellen und vor allem auch die Gruppenbesuche rationiert. Er hat 2023/24, gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde, die Ausstellung „The Jews, The Medici and the Ghetto in Florence“ erarbeitet und damit seinen Respekt vor der historischen Leistung der Juden in der Stadt gezeigt und ihren Beitrag zur geistigen Substanz der Renaissance demonstrativ herausgestellt.

Und nun auf dem Meloni-Ticket?

Schmidt verortet sich politisch als Mitte-rechts. Er hält Italiens Ministerpräsidentin für eine „Realpolitikerin, von der sich die Deutschen eine Scheibe abschneiden könnten“. Sie repräsentiere die „Kraft der Italiener, flexibel auf Unerwartetes zu reagieren“, sagte er dem Spiegel. Seine eigene Leistung stellt er durchaus nicht unter den Scheffel. „Bei meinem Antritt waren die Uffizien eine leicht verstaubte bildungsbürgerliche Institution“. Bis zu seinem Abgang habe er sie „in einen Ort verwandelt, an dem die Besucher die versteinerten Informationen aus der Renaissance, die gemalten Denkanregungen, erfahren und in ihre eigene Welt mitnehmen können“. Ihm sei die Stadt aber zu dreckig und zu unsicher, sagte er in einem anderen Interview. Er warnt vor der Gewalt der Drogenmilieus, die dem Tourismus schadeten. Alles in allem: Er sei ein „Antifaschist, aber ein Law-and-Order-Mann.“ Wenn die Uffizien von Sprayern heimgesucht wurden, dann seien am nächsten Morgen die Schmierereien wieder verschwunden gewesen.

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taz FUTURZWEI N°28: Weiterdenken

Wer ist „Der kleine Mann“, wer sind „Die da oben“, wie geht „Weltretten“, wie ist man „auf Augenhöhe“ mit der „hart arbeitenden Bevölkerung“? Sind das Bullshit-Worte mit denen ein produktives Gespräch verhindert wird?

Über Sprache und Worte, die das Weiterdenken behindert.

U.a. mit Samira El Ouassil, Heike-Melba Fendel, Arno Frank, Dana Giesecke, Claudia Kemfert, Wolf Lotter, Nils Minkmar, Bernhard Pörksen, Bernhard Pötter, Florian Schroeder, Paulina Unfried, Harald Welzer und Juli Zeh.

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Schmidts Kandidatur weist politisch über den Auftritt eines eloquenten Kulturmanagers hinaus. Die Uffizien, eine Ikone der Kultur- und Geistesgeschichte, wurden von ihm am Massentourismus ausgerichtet. Mit einer Auseinandersetzung mit ihrer historischen Bedeutung und ihrer geistigen Wirkung hat das nichts mehr zu tun. Für das Florenz von heute hat diese Ausrichtung eine besonders negative Wirkung.

Es zerstört für die Bürger ihre Stadt als Lebensort. Die Airbnb-Kultur vernichtet bezahlbaren Wohnraum in der Altstadt, vertreibt die dort angestammte Bewohner, verwandelt ihre Stadt in einen städtischen Ferienpark. Die Restaurants mit italienischer Esskultur werden zu unbezahlbaren Touristenfallen. Wobei es wegen der demographischen Entwicklung auch in Italien für die Drecksarbeit im Tourismusgeschäft keine einheimischen Arbeitskräfte mehr gibt.

Keine Bedenken, kein Geschichtsbewusstsein

Schmidt erweckt der Eindruck, dass er diese massentouristische Ausrichtung, die ihm mit den Uffizien gelungen ist, wiederholen könne mit der Verwandlung der ganzen Stadt in einen Erlebnispark. Aber wenn Florenz seine Rolle als Welt-Ort der Herzensbildung und Zivilisationsgeschichte nicht vollends verramschen will, sondern weiterschreiben, braucht es eine andere Stadtpolitik. Eine Stadtpolitik, die nicht allein auf die Touristen, sondern auf das Leben der Bürger, ihre kulturelle Potenz, ihre Universitäten und die über 60.000 Studenten ausgerichtet ist. Dazu gehören harte Zugangsbeschränkungen für Besucher der Stadt, ein Ende für die Beteiligten hochprofitablen, aber für die Allgemeinheit ruinösen Airbnb-Geschäftes und der weitere Ausbau des innerstädtischen Nahverkehrs jenseits des Autos. Dafür müsste die Stadt ihre aktuelle Abhängigkeit von der Tourismusindustrie lösen und neue Ziele für ein Florenz, als eine historische Metropole mit hohem Bildungsanspruch im Europa von Morgen entwickeln. Das ist mit Meloni und Co. und auch mit Herrn Schmidt eher nicht zu erwarten. Meloni und ihr rechtsradikales Bündnis sind fest mit der Tourismuswirtschaft und deren Interessen an der Stadt verbunden. Für diese wirtschaftlichen Interessen ist Schmidt der richtige Kandidat.

Eine repräsentative Stichprobe vor Ort: Der ökologische Honighändler vor der Markthalle Sankt Ambrogio sagt, es störe ihn überhaupt nicht, dass Schmidt ein Deutscher sei. Wir seien doch heute schließlich alle Bürger in einem Europa. Für ihn sei die Frage wichtiger, ob mit Schmidt die Stadt endgültig in einen Touristenpark verwandelt werde oder nicht.

Mich verstört es, dass ein Deutscher mit Erfolgsaussichten für sich und seine Karriere offenbar bedenkenlos auf das rechtsradikale Ticket setzt. Schmidts Verhalten könnte als ein Vorzeichen dafür gelesen werden, dass die intellektuellen Eliten Europas – wie schon immer – wenig Bedenken zeigen werden, ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Karrieren auch in illiberalen, autoritären Regimen erfolgreich zu gestalten. Eike Schmidt mag ein erfolgreicher Kulturmanager sein, über einen geschichtsbewussten und aufgeklärten Kompass verfügt er nicht.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.